Lucian Freud: Der ungeschminkte Malerstar

Lucian Freud in seinem Studio.
Einblicke in ein barockes Künstlerleben: „Frühstück mit Lucian Freud“

Seinen Anwalt (wohl kein gemütlicher Mann!) malte Lucian Freud im gelben Pyjama.

Seinen Buchhalter (so lange dem oft hoch verschuldeten Freud nicht das Betreten der Pferderennbahnen verboten war) malte er, damit ihm dieser die Gläubiger vom Leib hielt.

Einmal malte er eine Bananenstaude auf Jamaika, wo er bei James-Bond-Autor Ian Fleming zu Gast war.

Der Kunsthistorie machte es der Malerstar Lucian Freud (1922-2011) nicht leicht: Den Zeitgenossen war er zu figurativ, die konservativeren Kunstfreunde stießen sich an viel Nacktheit.

In Lucian Freuds Biografie aber herrschte barocker Reichtum, dem man sich jetzt neu nähern kann: Der Journalist Geordie Greig traf den britischen Maler mit Wiener Wurzeln über viele Jahre immer wieder, und aus dem oftmals wiederholten „Frühstück mit Lucian Freud“ wurde nun ein höchst lesenswertes Buch.

Aale

Lucian Freud: Der ungeschminkte Malerstar
Buch
Ja, der überaus berühmte Wiener Großvater kommt darin natürlich auch vor. Viel Freude hätte wohl jeder Psychoanalytiker mit der wichtigsten Erinnerung Lucians an seinen Großvater Sigmund: Es ging bei dem prägenden Gespräch um die Geschlechtsmerkmale von Aalen. Die Liebe zu Tieren verband Sigmund und Lucian Freud in Folge besonders, und sie wurde zum bleibendsten Einfluss des Großvaters auf den Maler.

Und die Liebe zum Großvater war immens wichtig: Lucian Freud überwarf sich mit seinen Brüdern, weil diese meinten, Lucian sei ein uneheliches Kind und daher nicht Enkel von Sigmund.

Man redete 40 Jahre nicht miteinander.

Die vielfältigen Versuche, Freuds Malerei mit der Psychoanalyse in Verbindung zu bringen, lehnte der Maler aber ab.

Messer

Nein, ein Leichter, Einfacher war Freud nicht, das macht Greig klar.
Mehrere Schlösser klickten, ein Brotmesser im sich öffnenden Türspalt begrüßte unerwartete Gäste. Interviews mochte Freud auch nicht besonders.

Umso bemerkenswerter der Zugang, den Greig letztlich bekam. Freud, aber auch einige seiner Verwandten, Affären, Wegbegleiter, reden frei von der Leber weg, hier wird vieles aus dem unmittelbaren Nahbereich Freuds publik.

Seine Nebenbeziehungen und (in)offiziellen Kinder etwa (vierzehn waren es mindestens). Der Antisemitismus, den Freud nach der Emigration aus Deutschland auch in Großbritannien erlebte. Und auch die Dankbarkeit, die Freud wegen seiner Einbürgerung kurz vor Kriegsbeginn dem britischen Königshaus Zeit seines Lebens erwies. (Auch wenn britische Zeitungen schrieben, dass die Queen auf einem Porträt Freuds aussah wie nach einem Boxkampf.)

Frühe Schulden und Existenzängste, der folgende Reichtum des einst teuersten lebenden Malers, die auch nicht einfachen Freundschaften mit Künstlerkollegen, das Zerwürfnis mit einer seiner Töchter, der er letztlich nicht einmal mehr seine Telefonnummer gab: Freud wird nicht analysiert (das hätte er sich wohl verbeten), aber vergleichsweise ungefiltert offen gelegt. Das liest sich packend, als Künstlerbiografie, auch als Echo des 20. Jahrhunderts.

Und das Buch ist billiger zu haben als jene tausende Pfund teuren, bisher unveröffentlichten Briefe Freuds, die Sotheby’s am 13. Februar versteigert.

Kommentare