"Lohengrin" in München: Der Schwanenritter im Versuchsraum
Die Bayerische Staatsoper zeigt einen szenisch teils seltsamen "Lohengrin".
10.12.22, 16:47
von Helmut Christian Mayer
Weiß ist der Einheitsraum, mit Türen, die ins Nirgendwo führen. Wie in einer posthumanen Zeit wirkt er, wie ein Versuchsraum. Zwei Bäumchen auf zwei kleinen Hügeln begrenzen den eher kleingehaltenen Raum (Monika Pormale), der bewusst wenig Bewegung zulässt, womit der Regisseur dem Führen von Massen entkommt. Alle sind von Anfang an auf der Bühne, aus der Masse schälen sich immer wieder die einzelnen Protagonisten heraus: So zeigt Kornél Mundruczó Richard Wagners „Lohengrin“ an der Bayerischen Staatsoper.
Alle, auch der König sind in helle Trainingsanzüge (Anja Axer Filjakowska) wie Mitglieder einer Gruppentherapie oder Sekte gehüllt, über die im zweiten Akt eine durchsichtige Regenhaut gezogen wird. Nur Elsa, die sich darstellerisch höchst traumatisiert geben muss, ist in Schwarz mit Stiefeln gekleidet. Die Protagonisten sind zu überwiegender Statik meist an der Rampe verdonnert. Zum Finale senkt sich dann ein riesiger, schwarzer Meteorit bedrohlich von oben herab, der quasi als Schwan-Ersatz von Lohengrin und Elsa bestiegen wird.
Der ungarische Regisseur, der bisher (auch in Cannes) mit Film- und Theaterregien aufgefallen ist, sieht die Geschichte weder märchenhaft noch politisch, sondern zeigt eher seltsame Ideen und erzeugt hauptsächlich Fadesse.
Hingegen ist die musikalische Realisierung erstklassig: Klaus Florian Vogt, auf die Titelfigur eigentlich schon über Jahre abonniert, singt sie mit seinem lyrisch hellen, ja bubenhaften Timbre immer noch mühelos mit allen Spitzentönen und scheinbar unbegrenzten Kraftreserven. Johanni van Oostrum fehlt es als Elsa weder an Innigkeit noch an Höhensicherheit.
Dämonisch
Anja Kampe ist bei ihrem Rollendebüt eine ungemein dämonische und kraftvolle Ortrud. Johan Reuter ein mächtig auftrumpfender Telramund. Mit Wohlklang erlebt man Mika Kares als König. Purer Luxus: André Schuen als Heerrufer.
Schon beim Vorspiel, das von Franz Liszt, dem Dirigenten der Uraufführung (1850 in Weimar) als „Art Zauberformel“ bezeichnet wurde, mit seinen vielfach geteilten, in hoher Lage überirdisch spielenden Geigen, die die geheimnisvolle Gralswelt enthüllen sollen, hört man aus dem Graben irisierende Klänge. Auch während des weiteren Abends gelingt es dem Bayerischen Staatsorchester unter Francois-Xavier Roth zu einem ideal entrückten, schimmernden und feinverwobenen Klanggemälde zu finden. Orchester, Dirigent und Sänger wurden bejubelt. Das szenische Leadingteam musste jedoch etliche Buhs einstecken.
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