"Lohengrin" in London: Viele Schwäne und alte Hüte

Klaus Florian Vogt (Lohengrin), Thomas J. Mayer (Telramund)
Kritik: Wagner-Premiere am Royal Opera House. Wieder einmal eine Produktion mit Nazi-Symbolik – wie banal.

In der Opernwelt, die ja durchaus Parallelen zur Fashionwelt hat (Eleganz, manchmal Oberflächlichkeit, manchmal hohe Kunst, immer wieder Verirrungen), gibt es ständig Moden beziehungsweise neue Kollektionen. So wurde etwa vor zwei Jahren Richard Wagners „Meistersinger“ an mehreren bedeutenden Opern-Laufstegen in Neuproduktionen gegeben. Das Must-have für Opernhäuser 2018: WagnersLohengrin“.

Die Monnaie-Oper in Brüssel machte mit Dirigent Alain Altinoglu und Regisseur Olivier Py den Anfang. An der Staatsoper wird bereits an der Wiederaufnahme der vielkritisierten Inszenierung von Andreas Homoki gearbeitet. Bei den Bayreuther Festspielen gibt es im Sommer eine Premiere in Starbesetzung: Christian Thielemann dirigiert, Roberto Alagna, Anja Harteros, Waltraud Meier u. a. singen, Yuval Sharon inszeniert im Bühnenbild von Neo Rauch. Und auch das Royal Opera House in London zeigt nun – zum ersten Mal seit 1977 – eine Neuproduktion dieser Wagner-Oper. Szenisch ist dabei kein großer Wurf herausgekommen, sondern ein alter Hut.

Der Dirigent

Aber beginnen wir beim Positiven, und das ist in erster Linie das Dirigat von Andris Nelsons. Vom ersten bis zum letzten Ton ist seine Interpretation packend, emotional, klug differenziert. Er hat keine Scheu vor Pathos, zelebriert manche Passagen (das „Gesegnet soll sie schreiten“ vielleicht etwas zu sehr), findet aber zumeist die richtige Balance aus analytischer Erzählung und dramatischer Wucht. Das Orchester des Royal Opera House begeistert mit zartesten Pianissimi und traumschönen Streicher- und Bläserklängen – in dieser Form zählt es zu den besten der Welt.

Die Sänger

Die Besetzung ist ebenso hochkarätig, wenn auch nicht so homogen. Klaus Florian Vogt, die stimmlich feminine Variante eines Heldentenors, ist im Haus in Covent Garden als Lohengrin besser hörbar als in anderen Theatern. Auf seine Intonation und leichte Unsauberkeiten, wenn er forcieren muss, hat aber auch die beste Akustik keinen Einfluss.

Jennifer Davis, eine Sängerin aus dem Nachwuchsprogramm der Londoner Oper, die davor noch keine große Premiere gesungen hatte, sprang für Kristine Opolais ein und beeindruckt als Elsa mit kraftvollem Sopran, guter Höhe und auch mit einer berührenden Darstellung. Christine Goerke ist eine fabelhafte, mächtige Ortrud, die im Finale an ihre Grenzen geht. Thomas J. Mayer hat als Friedrich von Telramund einige Mühe, über das Orchester zu kommen, Georg Zeppenfeld ist ein erstklassiger König Heinrich.

Die Regie

Die Inszenierung von David Alden in einem Setting, das an Kriegsruinen erinnert (Bühne: Paul Steinberg), wirkt wie eine Satire, dürfte sich aber als politische Abrechnung verstehen. Wieder einmal sieht man Nazi-Symbolik auf der Bühne, was ja mittlerweile bei Wagner-Opern, auch bei dieser, die in der ersten Hälfte des zehnten Jahrhunderts (!) spielt, zum Einfallslosesten zählt. Allerdings ist nicht einmal das konsequent: Die Krieger tragen Stahlhelme aus dem Zweiten Weltkrieg und dazu Speere. Manche Edle von Brabant sehen dafür aus wie englische Gangster aus den 1920ern. „Ein Käfig voller Helden“, die Nazi-Satire aus 60ern, trifft auf „Peaky Blinders“ – eine bizarre Mischung. Mit Mel Brooks als Regisseur oder den Monty Pythons wäre es wenigstens lustig gewesen.

Lohengrin wird zum Führer hochstilisiert, mit Dutzenden Fahnen, auf denen ein Schwan statt eines Hakenkreuzes zu sehen ist, mit einem Schwan-Denkmal im Albert-Speer-Stil. Im Brautgemach hängt das Bild des Schwanenritters von August von Heckel aus Schloss Neuschwanstein. Gut umgesetzt ist die Ankunft Lohengrins – mit Videoprojektionen von Flügeln von Schwänen. Und dann kommt . . . Klaus Florian Vogt, ganz in Weiß, barfuß. Dafür darf Elsa bei ihrem Auftritt aus einem Loch kriechen wie Jochanaan in „Salome“. Auch in der Modeszene gibt es viele Kopisten.

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