Live-Streams könnten nur eine Übergangslösung und kein Ersatz für das Live-Erlebnis“ sein, meinen viele Künstler wie der Tenor Rolando Villazón. Alle waren und sind zum Teil noch „auf Live-Entzug, und natürlich ist die Gesamtsituation einfach sehr schwierig für jeden.“
Aus der Not geborene Auftritte im Netz sollen aber künftig mehr als nur eine Notlösung sein. Die Musikbranche stellt sich auf das Überwintern in der Krise ein und setzt auf neue Formate.
Dass der virtuelle Konzertsaal mit Wohnzimmerflair auch Zukunft hat, daran glauben die Gründer einer neuen Streaming-Plattform wie der deutsche, in New York lebende Cellist Jan Vogler.
Beim ersten Konzert von „Dreamstage“ spielte die Pianistin Hélène Grimaud mit Vogler Samstag im Bard College in New York.
Die Zuschauer können sich für die Events an einer virtuellen Kasse ein Ticket kaufen und dann live via Internet dabei sein. Gestartet wird mit 30 Veranstaltungen mit Musikern aus Klassik, Weltmusik und Jazz, darunter Pape Diouf, Ute Lemper, Gil Shaham u. a.
Die Ticketpreise liegen bei rund 21 Euro. 80 Prozent der Einnahmen gehen direkt an die Künstler.
Schon bald will Dreamstage auch Pop-, Rock- oder Hip-Hop-Gigs anbieten und durch Social-Media-Integration und Funktionen wie Chats, Applaus und Emoticons den Kontakt zwischen Publikum und Künstlern herstellen.
Musiker aller Sparten sollen bei „Dreamstage“ Live-Auftritte hochladen. „Wir können Menschen zu Hause Freude bereiten und bieten Künstlern Gelegenheit, wieder aufzutreten und Geld zu verdienen“, sagte Geschäftsführer Thomas Hesse, ehemaliger Bertelsmann-Vorstand und früherer Sony Music-Manager.
Er sieht in dem Projekt „keine Zwischenlösung für Zeiten beschränkter Auftrittsmöglichkeiten, sondern ein langfristig angelegtes und völlig neues Veranstaltungskonzept“.
Die Musiker seien dabei mehr als Gestalter am Werk: „Sie werden die Produktion stärker mitgestalten, müssen nicht mehr in Konzertsäle gehen, sondern können ihre Auftritte auch vom Strand oder aus einer Fabrikhalle streamen.“
Oder von einer Steilküste an der Côte d'Azur, wie zuletzt der Tenor Roberto Alagna und seine Ehefrau, die Sopranistin Aleksandra Kurzak, die ein „Best-of“ aus italienischen und französischen Opern zur Begleitung eines Streichquintetts gesungen haben.
Mit umgerechnet 21 Euro war man via Homepage von „Met Stars Live in Concert“ der New Yorker Metropolitan Opera dabei. Während Intendant Peter Gelb an den bislang angekündigten Wiedereröffnungstermin der Met am 31. Dezember nicht mehr glaubt, scheint der virtuelle Ersatz zu funktionieren.
Mehr als 40.000 Besucher lösten ein Ticket für das erste Konzert von „Met Stars live in Concert“ mit Jonas Kaufmann und Arien zu Klavierbegleitung aus dem Bibliothekssaal im oberbayerischen Polling.
Alagna und Kurzak hatten live immerhin 10.000 zahlende Kunden. In den zwölf Tagen, in denen das Konzert online bleibt, werden es nach Schätzungen der Met nochmal so viele werden.
Auch das Deutsche-Grammophon-Plattenlabel bietet seit Ende Juni online auf der Plattform „DG Premium“ jetzt auch unter dem Motto „DG Stage – The Classical Concert Hall“ kostenpflichtige Konzertstreams an (Tickets je nach Format und Produktion 4,90 bis 12,90 €).
Und da laufen noch bis 29. August – nach Absage aller Live-Vorstellungen heuer wegen der Pandemie – die ersten virtuellen Bayreuther Festspiele.
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