Der Literaturnobelpreis 2023 geht an den Norweger Jon Fosse
Der Literaturnobelpreis 2023 geht an den Norweger Jon Fosse. Das gab die Schwedische Akademie am Donnerstag bekannt. Der 1959 geborene Autor erhält die Auszeichnung für seine innovativen Stücke und Prosa, die dem Unsagbaren eine Stimme geben, hieß es. Fosse hat schon lange als einer der Kandidaten für die höchste Literaturauszeichnung gegolten.
Fosse lebt zum Teil in Hainburg an der Donau, damit seine Ehefrau, eine Slowakin, schnell bei ihrer Verwandtschaft ist.
Fosse ist einer der erfolgreichsten Dramatiker der vergangenen Jahrzehnte. Sein Roman „Der andere Name“ wird als Meisterwerk gehandelt. In einem hypnotischen Sprach-Sermon berichtet Fosse von zwei Versionen eines Malers, der sich am Ende selbst begegnet.
Das Buch spielt in Norwegen; die Landschaft, das Wetter, die Schweigsamkeit der Menschen sind wichtig für die Stimmung des Romans. Geschrieben hat Fosse das Buch aber in Österreich, vorwiegend nachts. „In Norwegen hätte ich es nicht schreiben können. Ich brauchte den Abstand.“
"Der Nobelpreis wird noch kommen", hieß es bereits 2016 im KURIER.
Fosse ist "überwältigt"
„Ich bin überwältigt und etwas verängstigt. Ich sehe dies als eine Auszeichnung für die Literatur, die in erster Linie Literatur sein will, ohne andere Erwägungen“, sagte Fosse.
Er wurde am 29. September 1959 an der fjordgeprägten Westküste Norwegens geboren. Die Sprache - sei es in Lyrik, auf der Bühne oder anderswo - nimmt einen zentralen Platz in Fosses Leben ein. Seinen Romanen und Theaterstücken haftet dabei oft etwas Melancholisches, Düsteres und auch Mystisches an. Musik hat Fosse als junger Mensch gemacht, er schrieb selbst Lieder, spielte Gitarre. Später hörte er kaum noch Musik, wie er der „Neuen Zürcher Zeitung“ 2014 in einem Interview erzählte, „höchstens Bach“. Bei dem, sagte Fosse, drehe er zumindest nicht durch.
Die öffentlichen Auftritte, die mit dem späteren Theatererfolg verbunden sind, belasteten ihn. „Jon Fosse ist ein hypersensibler Mensch“, schrieb die „NZZ“ 2014 über ihn. „Sozialer Druck setzt ihm zu. Öffentlichen Auftritten hielt er früher nur dank Alkohol stand; als er den Alkohol nicht mehr kontrollieren konnte, sondern von ihm kontrolliert wurde, hörte er auf zu trinken - und öffentlich aufzutreten.“
Seine Stücke sind in 40 Sprachen übersetzt worden und werden seit Mitte der 90er Jahre auf den großen Bühnen weltweit aufgeführt. Seine Landsleute feiern ihn als den erfolgreichsten norwegischen Dramatiker seit Henrik Ibsen (1828-1906, „Peer Gynt“, „Nora oder Ein Puppenheim“). Auf Deutsch erschienen von ihm unter anderem „Melancholie“ und „Der andere Name“. Für sein Prosawerk „Trilogie“ bekam er 2015 den Literaturpreis des Nordischen Rates verliehen, den renommiertesten Literaturpreis Skandinaviens. Neben mehr als zwei Dutzend Theaterstücken hat der Schriftsteller im Laufe von vier Jahrzehnten auch Romane, Essays, Gedichtbände und eine Reihe von Kinderbüchern veröffentlicht.
Dotiert ist die Auszeichnung in diesem Jahr mit elf Millionen schwedischen Kronen (rund 950 000 Euro), das sind eine Million Kronen mehr als im Vorjahr.
Wer unter den Nominierten ist, wird von den Nobel-Institutionen vorab stets geheim gehalten. Letzter deutschsprachiger Literaturnobelpreisträger war der Österreicher Peter Handke, dem die renommierte Auszeichnung 2019 zugesprochen wurde, was hernach für heftige Diskussionen sorgte.
Mehr als fünf Jahre nach einem handfesten Skandal um das damalige Akademiemitglied Katarina Frostenson und ihren wegen Vergewaltigung verurteilten Mann Jean-Claude Arnault sind die Wogen bei der Akademie mittlerweile ansonsten wieder weitgehend geglättet. Seitdem wurden jeweils abwechselnd Frauen und Männer mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet: Den für 2018 nachgeholten Preis erhielt die Polin Olga Tokarczuk.
2020 und 2021 folgten dann mit der US-Poetin Louise Glück und dem tansanischen Schriftsteller Abdulrazak Gurnah zwei überraschende Preisträger, ehe sich die Akademie 2022 auf die Weltliteratin Ernaux verständigte - eine Wahl, die viel Zustimmung in der literarischen Fachwelt erhielt. Die Französin bekam den Nobelpreis „für den Mut und die klinische Schärfe, mit der sie die Wurzeln, Entfremdungen und kollektiven Beschränkungen der persönlichen Erinnerung aufdeckt“, wie es von der Akademie damals hieß.
Die Preisträger der vergangenen 20 Jahre
- 2023 Jon Fosse (Norwegen)
- 2022 Annie Ernaux (Frankreich)
- 2021 Abdulrazak Gurnah (Tansania)
- 2020 Louise Glück (USA)
- 2019 Peter Handke (Österreich)
- 2018 Olga Tokarczuk (Polen; der Preis wurde 2019 nachgeholt)
- 2017 Kazuo Ishiguro (Großbritannien, in Japan geboren)
- 2016 Bob Dylan (USA)
- 2015 Swetlana Alexijewitsch (Belarus)
- 2014 Patrick Modiano (Frankreich)
- 2013 Alice Munro (Kanada)
- 2012 Mo Yan (China)
- 2011 Tomas Tranströmer (Schweden)
- 2010 Mario Vargas Llosa (Peru)
- 2009 Herta Müller (Deutschland)
- 2008 J.M.G. Le Clézio (Frankreich)
- 2007 Doris Lessing (Großbritannien)
- 2006 Orhan Pamuk (Türkei)
- 2005 Harold Pinter (Großbritannien)
- 2004 Elfriede Jelinek (Österreich)
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