AIDS: Kampf gegen neue Sorglosigkeit

Moderne Prävention muss lustvoll sein und den jungen Menschen Selbstbewusstsein vermitteln.

An Aids stirbt man heute eh nimmer, es gibt ja eh die Tabletten." Aussagen wie diese bezeichnen Mitarbeiter der Aids-Hilfen als Anzeichen für eine "neue Sorglosigkeit"- die möglicherweise auch die Ursache für einen Anstieg der HIV-Infektionen ist (2010: 487; 2011: voraussichtlich ca. 531). "Die Furcht vor dem schnellen Tod ist weg und die Angst vor einer lebenslangen Infektion mit teilweise schweren Nebenwirkungen der Therapie ist nicht dasselbe", sagt Isabell Eibl, Leiterin der Abteilung für Prävention der Wiener Aids-Hilfe - "Aber an der wesentlichen Botschaft - dass Safer Sex mit Kondom das Beste ist, was es gibt - hat sich nichts geändert."

Eine neue Botschaft sei die Verknüpfung von Safer Sex und HIV-Testung bei Personengruppen mit höherer Infektionshäufigkeit (u.a. homo- und bisexuelle Männer) oder auch bei heterosexuellen Menschen mit ausgeprägtem Risikoverhalten: "Rund 30 Prozent der Infektionen werden erst in einem weit fortgeschrittenen Stadium erkannt." Eine Strategie der Aids Hilfe ist es deshalb, Beratung und Testungen nicht nur im Aids-Hilfe- Haus, sondern auch direkt vor Ort, z.B. in der Schwulen-Szene anzubieten.

Auch in der Präventionsarbeit bei Jugendlichen arbeiten die Experten an einem Umdenkprozess: "Die Jugendlichen sind im Kontext von HIV und sexuell übertragbaren Krankheiten nicht schlecht aufgeklärt. Wenn in Schulen über Sex gesprochen wird, stehen jedoch Krankheiten im Vordergrund - häufig sogar zu viel", erklärt Wolfgang Kostenwein vom Institut für Sexualpädagogik. Das gehe sogar soweit, dass er schon von einem Burschen gefragt worden ist, warum er denn noch immer nicht krank sei, obwohl er schon seit einem Jahr Sex habe. "Die undifferenzierte Information zu dem Thema führt dazu, dass viele emotional komplett aussteigen."

Das bestätigt auch Eibl aus ihrer Arbeit: "Jugendliche haben oft die Einstellung, mir kann eh nichts passieren, ich bin unverwundbar. Nur mit Angst und Gefahren zu argumentieren ist deshalb nicht zielführend. "

Statt von einem "Schreckgespenst" zu sprechen, müsse man versuchen, den Jugendlichen auf allen Ebenen Unterstützung in Eigenkompetenz zu liefern. "Der lustvolle Zugang ist einfacher zu verstehen als über die negative Krankheitsschiene", meint Kostenwein. Was er damit meint? "Wenn wir den Jugendlichen eintrichtern, dass sie Kondome verwenden sollen, weil sie sonst krank werden, dann greift das nicht auf der Handlungsebene. Wir sollten darüber sprechen, wie ich das Kondom lustvoll einsetzen kann. Der richtige Moment das Kondom zu verwenden, ist etwa eine sehr emotionale Frage."

In dieselbe Kerbe schlägt auch Sabine Ziegelwanger, Sexualpädagogin bei der Gesellschaft für Familienplanung. Sie plädiert in der Aufklärung für einen ganzheitlichen Zugang: "Über HIV alleine zu reden, ist zu wenig eingebettet in die reale Welt. Da geht es auch um Beziehungsängste, Treue und die ganze emotionale Ebene."

Ein lustvoller, emotionaler Zugang zu Sexualität würde den Jugendlichen viel besser ermöglichen einen verantwortungsbewussten Umgang anzunehmen, als wenn das Thema Sexualität als böse Gefahr vermittelt wird, sind sich die Experten einig. Dann stellt sich auch automatisch ein kompetenter und selbstbewusster Umgang mit Sex und Verhütung ein. Kostenwein: "So lange wir nicht bereit sind über das Thema zu reden, das die Jugendlichen interessiert, dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie es sich auf dem einfachen Weg im Internet holen - und dort meist über Pornos."

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