„Es gab Tage, da bin ich nicht aus dem Bett gekommen. Ich konnte nichts essen, nichts trinken, nicht duschen. Es ging einfach nicht.“
Sophie Lindinger, eine Hälfte des Pop-Duos Leyya, beschreibt im KURIER-Interview die ärgsten Phasen der Depressionen, mit denen sie in den vergangenen zwei Jahren gekämpft hat. Jetzt gehe es ihr schon viel, viel besser, sagt sie. Andernfalls könnte sie nicht am Freitag (27. August) die EP „Longest Day Of My Life“ veröffentlichen. Die widmet sich ausschließlich diesem Thema.
In sechs melancholischen Pop-Perlen, die mühelos atmosphärische Elektronik und Singer/Songwriter-Klänge zu einem einnehmenden Ganzen verschmelzen, nimmt Textautorin Lindinger die Hörer mit auf eine Reise durch die verschiedenen Phasen und Aspekte der Krankheit.
Mut sagt sie, habe das nicht gebraucht: „Irgendwann ging es nicht mehr anders, als darüber zu reden. Und zu kommunizieren, wie es mir geht, war ein wichtiger Schritt zur Heilung. Denn da waren all diese Erwartungen an mich, sowohl aus dem Business als auch dem privaten Umfeld, die ich gerade nicht erfüllen konnte. Ich dachte immer, ich bin nicht richtig, weil ich das nicht kann. Dabei habe ich mich aber unheimlich alleine gefühlt. Sobald ich dann aber kommuniziert habe, was mit mir los ist, hatten alle Verständnis. Das war so befreiend.“
Unsichtbare Krankheit
Lindinger suchte sich aber „natürlich“ auch medizinische und therapeutische Hilfe: „Das ist eine Krankheit und die muss als solche gesehen und behandelt werden. Viele Leute glauben immer noch, dass man da halt ein bisschen traurig ist, meinen, wenn man sich nur ein bisschen zusammenreißt und positiv denkt, wird das schon wieder. Das kommt daher, dass man diese Krankheit nicht sieht. Keiner würde sagen, heb die Kiste vom Boden auf, wenn ich mir die Hand gebrochen habe. Da weiß man, dass das nicht geht.“
Dafür ein Bewusstsein zu schaffen, ist mit ein Grund, warum Lindinger so offen damit umgeht. Und: „Als ich begonnen hatte, mit Leuten darüber zu sprechen, habe ich gemerkt, dass es gerade jetzt in dieser Corona-Zeit sehr vielen Menschen genauso geht.“
Für Lindinger selbst begannen die Probleme schon vor der Pandemie. „Leicht“ hatte sie das schon eine Weile. Doch mit den ewigen verstörenden Nachrichten in Bezug auf die globale Gesellschaft und die Umweltzerstörung wurde es immer schlimmer – wie sie im Song „I’m Not Sure“ beschreibt.
Tiefes Loch
Ein anderer Faktor, der bei ihrer Depression eine Rolle spielte, war der Druck im Pop-Business: „Marco und ich haben als Teenager begonnen, im Wohnzimmer gemeinsam Songs zu schreiben. Das ist das, was wir am meisten lieben“, erzählt Lindinger. „Doch bald hieß es, wir müssten live spielen. Damit waren wir aber überfordert, weil wir beide nie Bühnenmenschen waren. Natürlich lernt man das, wird dabei selbstbewusst. Wir haben die Welt bereist, waren für Shows in Mexiko und den USA und hatten großen Spaß dabei. Aber dann kommst du nach einer Tour heim und fällst in ein tiefes Loch, bist schnell wieder auf dem Boden der Tatsachen, weil es auch finanziell immer knapp war.“
Auftrittspause
Genau dann musste aber prompt wieder ein neuer Song her. Denn im schnelllebigen Pop-Business ist man vergessen, wenn man lange nichts veröffentlicht. Diesem Druck wollen sich Leyya nicht länger beugen und haben beschlossen, mit den Live-Auftritten zu pausieren und nur mehr im Studio tätig zu sein. Allerdings nicht, ohne sich mit den Open-Air-Auftritten am 27. August im Linzer Posthof und am 28. August im Globe in Wien von den Fans zu verabschieden.
„Vielleicht spielen wir in vier, fünf oder zehn Jahren ja wieder live, weil wir gerade Lust drauf haben“, erklärt Lindinger. „Zur Zeit ist es aber für uns beide besser, wenn wir nicht mehr auf die Bühne gehen.
Kommentare