Die Welt durch ein Gitter betrachtet

Lewis Baltz Costa Mesa, 1971 aus der Serie The Prototype Works Collection Fondation A Stichting, Brussels © Lewis Baltz, Courtesy Galerie Thomas Zander, Cologne
Zur Schau "Lewis Baltz" werden Einblicke in das Kunstverständnis der 1970er-Jahre mitgeliefert.

Es sind radikale Fotos, die den Ruf von Lewis Baltz begründet haben. Radikal deshalb, weil sie so unspektakulär und zugleich so unerbittlich streng sind: Die Fenster und Wände gesichtsloser amerikanischer Häuser erscheinen da minutiös in den rechteckigen Bildrahmen eingepasst, die Horizontlinien von Großbaustellen, garantiert ohne idyllischen Blickfang, durchschneiden jedes Bild in derselben Höhe. Die Bilder ihrerseits werden in Gittermustern zu strengen Bildtafeln aneinandergereiht.

Vergittert

Als der 1945 geborene US-Künstler um 1970 damit begann, solche Bildserien anzulegen, war er mit seiner Sichtweise freilich nicht allein: Es war die Zeit der Minimal Art und der „Land Art“, das deutsche Ehepaar Bernd und Hilla Becher hatte sein Konzept, Industriebauten in Serien abzulichten, bereits entwickelt. 1979 sollte dann die Kunsttheoretikerin Rosalind Krauss in einem einflussreichen Essay das Raster zum definierenden Muster der Moderne ausrufen: Das Gitter erlaube demnach keine perspektivische Darstellung, es etabliere eine eigene Ordnung, es sei das Gesicht einer Kunst, „wenn sie der Natur den Rücken zuwendet“.

In der Schau, die viel weiter greift, als es die Fokussierung auf den Namen Lewis Baltz erahnen lässt, führt Albertina-Kurator Walter Moser mitten in die Blütezeit dieses minimalistischen, oft aber auch pessimistischen Kunstverständnisses hinein.

Impressionen der Baltz-Ausstellung

Die Welt durch ein Gitter betrachtet

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Un-Welt

Anders als viele Vertreter der Minimal Art weigerte sich Baltz nicht, seine Umwelt abzubilden. Die Landschaften in seinen Fotos scheinen allerdings selbst der Natur den Rücken zugewendet zu haben: Es sind zersiedelte, brachliegende Orte, bei denen oft nicht klar ist, ob sie eben erst von Baumaschinen aufgegraben wurden oder längst verwildert sind, sprich: Am Anfang oder am Ende der Zivilisation stehen.

Dass das Gitterraster als ordnendes Element keine Perspektive zulässt, lässt sich hier durchaus auch im Sinn des Slogans „No Future“ verstehen: Diesen führte die Punk-Bewegung, die – zufällig? – auch zur selben Zeit entstand, im Munde.

Moser – er war lange im benachbarten Filmmuseum tätig – schlägt in der Schau diesen Bogen nicht: Er zeigt Filmausschnitte aus Michelangelo Antonionis „Il deserto rosso“, die formal mit Baltz’ Bildsprache verwandt sind, sowie Fotoserien von Bernd & Hilla Becher und Ed Ruscha. Robert Smithsons hinreißende Diashow „Hotel Palenque“ (1969–’72) darf schließlich nicht fehlen: Der Land-Art-Künstler erzählt darin von einem mexikanischen Hotelgebäude, das offenbar im Status des Rohbaus dem Verfall preisgegeben worden war. Smithsons minutiöse, mit teils witzigen Kommentaren versehene Foto-Erkundung gilt heute als Klassiker, und sie hinterlässt eine positive Note: So lange sich auch das trostloseste Gebäude kreativ in das Rastersystem der Kunst überführen lässt, gibt es vielleicht doch noch eine Perspektive.

Lewis Baltz: Radikale Fotos in der Albertina

Der Künstler: Lewis Baltz, 1945 in Kalifornien geboren, ist ein wichtiger Vertreter der konzeptuellen Fotografie. Er lebt heute in Paris.

Die Ausstellung:Lewis Baltz“ (bis 2. 6., Albertina, Pfeilerhalle) zeigt Bildserien des Künstlers im Kontext artverwandter Fotografie- und Filmkunst. www.albertina.at

Katalog: Mit Beiträgen von Susanne Figner, Walter Moser, Jeff Rian u. a. Verlag der Buchhandlung Walther König, 38 Euro.

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