Laurel & Hardy: Eine komische Liebe
Stan Laurel sitzt auf dem Balkon seiner Drei-Zimmer-Wohnung in Santa Monica mit Blick auf den Pazifik. Er raucht eine Chesterfield und überlegt sich Gags. Die erzählt er dann Oliver Hardy und geht mit ihm die Kameraführung durch, die Beleuchtung, die Bewegungen.
Seiner Frau sagt er lieber nichts davon. Denn Oliver Hardy ist längst tot. Stan Laurels Verfall geht langsamer, bis 1965. Manchmal leistet dem gebürtigen Engländer auch Ex-Kollege Buster Keaton Gesellschaft, sie pokern.
Das ist eine Szene, die man in den Biografien Stan Laurels nicht findet. Sie ist bestimmt wahr, aber passt nicht in Fachliteratur. Leerstellen füllt erst – der Roman. Dem Iren John Connolly ist mit „Stan“ einer gelungen, der uns das schöne Gefühl gibt, Stan Laurel das ganze Leben begleitet zu haben.
Das ist das Positive.
Das Negative: Der als Kriminalschriftsteller bekannt gewordene Connolly genehmigte sich diesmal einen penetranten Stil, lyrisch wollte er sein, lyrisch-sentimental.
Und Blabla wie „Tote können sich nicht erinnern“ kann er sich überhaupt schenken.
Verheiratet
Stan Laurel war sieben Mal verheiratet. Mit der ersten Frau ein Mal, mit der zweiten zwei Mal, mit der dritten drei Mal, mit der letzten ein Mal. Er heiratete ... schnell. Als er ein Star war, hatte er so viele Alimentationszahlungen, dass ihm im Monat 200 Dollar blieben.
Was Frauen und Geld betrag, war er wirklich ein Narr. Wie Oliver „Babe“ Hardy.
Die glücklichsten Stunden waren, wenn sie miteinander an einem Tisch saßen. Stan notierte neue Ideen, „Babe“ las Zeitungen, viele Zeitungen, denn er wollte ein gebildeter Mann sein. Nicht um zu blenden. Er wollte einer sein.
Für den ersten gemeinsamen Film – von 106 in 30 Jahren – schrieb eStan Laurel ein Drehbuch, in dem nicht er, sondern
Oliver Hardy im Mittelpunkt stand – der konnte es nicht fassen, dass jemand in Hollywood freiwilllig das Rampenlicht für einen anderen räumt.
Aber Oliver Hardy war ja selbst auch ... lieb: Er kaufte Rennpferde, die garantiert niemals ein Rennen gewinnen würden; und er setzte Geld auf sie, mehr Geld als er hatte: aus Loyalität dem Pferd gegenüber machte er das.
Verwickelt
Wie zwei Wollknäuel, die ineinander verwickelt waren ...
Streit? Ein einziges Mal gab es welchen. „Babe“ wollte sich wegen einer blöden Komödie nicht die Haare zerraufen lassen. Das Publikum liebte es, wenn sie wirr herunterhingen. Stan Laurel musste ihn überzeugen, wie wichtig es für den Sketch war.
Es war ja auch wichtig für den Film ganz generell, dass er dick war. Auch das gefiel Oliver Hardy nicht. Er litt sehr darunter. (Als er von 150 auf 75 Kilo abspeckte, bekam er einen Schlaganfall nach dem anderen.) Es war ja auch wichtig für den Film, dass sich Stan Laurel häufig am Kopf kratzte. Er hasste es.
Aber sie nahmen das Lachen ernst.
Verloren
Am liebsten hätte er jedem Fan einzeln die Hand geschüttelt und ihn auf einen Drink eingeladen. Stan Laurel war ein dankbarer Mensch. Dankbar für den Erfolg. Dankbar, mit Oliver Hardy ein Team gebildet zu haben. Er hatte Oliver gebraucht. Allein brachte er keine eigenständige Figur zusammen. Und Stan und Oliver brauchten einander, damit über allem die Dummheit herrschen konnte.
Als „Babe“ starb, trat Stan nicht mehr auf. Denn wie hätte das ausgesehen?
Wie ein Symbol dafür, dass alles verloren ist. Bloß ein alter, hinkender Mann, der immer wieder – sich am Kopf kratzend – gewitzelt hätte: „Wer bei meiner Beerdigung weint, mit dem rede ich nie wieder ein Wort!“
Jerry Lewis, dessen Humor ihm nicht gefiel (weil ein zorniger Humor, kein unschuldiger) ... Jerry Lewis wollte Laurel zum Wärmen immer einen seiner vielen roten Pullover schenken.
Danke nein, in jedem Pulli standen nämlich die Initialen
J.L.
Es ist schlimm genug, als „ehemaliger Filmschauspieler“ zu sterben ... aber noch dazu in J.L.’s Pullover?
John Connolly: „Stan“
Übersetzt von
Gottfried
Röckelein.
Rowohlt Verlag.
528 Seiten.
24,70 Euro.
KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern
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