"La rondine" war als Operette beauftragt, hat aber die schwelgerische Musik einer Oper. So unentschlossen bleibt das Ganze: Die Kurtisane Magda entflieht, zur romantischen Liebe durch einen Dichter aufgehetzt, ihrem reichen Liebhaber. Doch als ihre wahre Liebe sie dann heiraten will, gesteht sie ihm ihre unmoralische Vergangenheit. Verzweiflung folgt. Als Mensch des 21. Jahrhunderts bleibt man ratlos, was das Problem ist.
Das ist absolut überreif für Frischluft (oder, bessere Idee: man legt das endgültig in die Klassikschublade ab). Das Problem an der Neuproduktion: Sie will sowohl ein Frauenbild etablieren, bei dem es einem nicht die Haare aufstellt, als auch die "Schönheit" einer klassischen Inszenierung abholen. Und da spießt es sich dann.
De Beer verwendet einen netten Inszenierungstrick, der nicht neu, aber oft fruchtbar ist: All das, was man auf der Bühne sieht, ist die Live-Umsetzung der Fantasie eines Autors. So kann man auf einem übergroßen Papier die Handlung in Schreibmaschinenästhetik beständig mitlesen, der Dichter Prunier (Timothy Fallon) tippt fleißig an der Handlung rum (und am Ende des zweiten Aufzugs wirft er verzweifelt die Zetteln in die Luft, weil das alles so ein Schmonzes geworden ist).
Er würde wohl gern eine große Oper schreiben, die aussieht, wie man sich eine große Oper einst vorgestellt hat. Es gibt schöne Kleider und klassische Säulen und eine Drehbühne, und aus irgendeinem Grund laufen anfangs einige der Darstellerinnen mit überdimensionalen, freigelegten Latex-Busen herum, ist wohl eine Männerfantasie.
Nach und nach mischt sich in diese Erzählung die Dienerin Lisette (Rebecca Nelsen) ein - und räumt dem Dichter die blödesten Männerideen aus.
Durch diesen Kunstgriff ironisiert De Beer zugleich die Problemstellen im Libretto - gibt ihnen aber auch ein Übergewicht, das das Ganze unentschlossen macht. Als Publikum wird man zunehmend unsicher, welche Emotion man belasten darf, das Vor-Finale zwischen Magda und ihrem Lover Ruggero (Leonardo Capalbo) mit dem großen Sündengeständnis kommt dann dermaßen überdreht daher, dass man es nah an der Persiflage sieht, sich aber auch nicht lachen traut.
Am wirklichen Schluss dann, bei dem von Joel dazukomponierten Finale, watschen einander Lisette und Prunier ab, der Dichter würde die Frau nämlich wegen Unmoral so gern zumindest in die Verzweiflung oder am Besten gleich in den Tod stürzen, wie Männer das halt so machen. Lisette setzt sich durch, die Frauen gehen winkend ab. Diesen Gute-Laune-Zugang kennt man von Lotte De Beer.
Die Stimmen
Die Unentschlossenheit des Werks und der Emotion setzt sich auch in den Stimmen fort. Matilda Sterby als Magda hat ihre Stimme in Richtung "La Boheme" scharf gestellt, drückt schön auf die Emotion und in den Raum. Leonardo Capalbo als ihr Gegenüber geht hier leider unter. Nelsen agiert irgendwo zwischen Feminismus und Schmäh, auch in der Stimme. Thimothy Fallon agiert auf passendem Niveau.
Aus dem Graben kommt viel Lautstärke; eine operettenhafte Leichtigkeit wird nicht gesucht und schon gar nicht gefunden. Der dazukomponierte Schluss bleibt ein Fremdkörper.
Am Schluss gab es viel Zustimmung für Sterby, freundlichen Applaus für andere, ein bisschen Ablehnung für Capalbo und doch deutliche für De Beer.
KURIER-Wertung: Zweieinhalb Sterne
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