Alle waren sie da: Franz Schubert, Franz Grillparzer, später dann Kaiser Wilhelm I., Kanzler Fürst Otto von Bismarck, Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth. Und an den Glanz vergangener Zeiten erinnert noch das historische Ensemble am Straubingerplatz, „eines der bemerkenswertesten Zeugnisse des mondänen Kurtourismus“, so Eva Hody vom Bundesdenkmalamt.
Und weil mehr als 60 neu adaptierte Hotelzimmer im alten Gemäuer für die Münchner Hirmer-Gruppe nicht profitabel genug sind, errichten die Wiener BWM-Architekten just neben dem Wasserfall der Gasteiner Ache nur drei Meter hinter dem Badeschloss noch einen mit 50 Metern, vom Straubinger Platz gemessen, mehr als doppelt so hohen Hotelturm, mit 13 Stockwerken und 88 Zimmern. Den Denkmalschutz führt’s glatt ad absurdum, aber die Landes- und Gemeindepolitiker sind stolz drauf, während Kritiker anmerken: Am Straubinger Platz werde zu dicht gebaut, während an anderer Stelle zwei der letzten alten Häuser abgerissen wurden.
Aber schon seinerzeit sei man alles andere als zimperlich mit dem architektonischen Erbe umgegangen, weiß Judith Eiblmayr. Die Architektin beschreibt in einem neuen Bildband, illustriert mit subtil-kritischen, aber nie reißerischen Fotos von Philipp Balga, die baugeschichtliche Entwicklung der „Stadt in den Alpen“ .
Sie spannt dabei den Bogen von der frühen Bebauung im Dorf Wildbad Gastein über die ersten Villen des Klassizismus und die Hotels des Historismus bis zu den Höhen und Tiefen des Baugeschehens im 20. Jahrhundert, etwa zu den in den Fels gesprengten und mittlerweile unter Denkmalschutz stehenden modernistischen Betonbauten von Gerhard Garstenauer (1925-2016).
Sein auf langen Betonstelzen über den Steilhang gestelltes 1974 eröffnetes Kongresszentrum mit den Panoramakuppeln mitten im historischen Ortszentrum steht seit Jahren leer und ist dem Verfall preisgegeben.
Es entsprang wie das lange als „Betonkiste“ verhöhnte Felsenbad großstädtischem Denken an einem Ort, der schon zu k. u. k Zeiten alles andere als ein Alpendorf war.
„Schon in der Gründerzeit ist man besonders rücksichtslos mit der klassizistischen Architektur umgegangen, von der heute nicht mehr viel übrig ist“, so Eiblmayr im KURIER-Gespräch. „Wie sie da im 19. Jahrhundert hineingefahren sind, war brutal. Der Wasserfall wurde zugekastelt und war kaum mehr zu sehen.“
Am schönsten sei der Ort wohl um 1840 gewesen, bis dahin natürlich gewachsen. Als sich bereits der preußische Architekt Karl Friedrich Schinkel beklagte: „Es erregt Ekel, wenn man sieht, wie die ungeschliffenen Gestalten hoher Spitzdächer und Mansarden über glatten Kasernenfassaden sich an der romanti-schen Situation neben den edlen, naiven antiken Alpenhütten brüsten in ihrer Gemeinheit und den ganzen Eindruck eines Ortes wie Wildbad-Gastein nach und nach zu vernichten drohen, zum Teil schon vernichtet haben.“
Zu dieser Zeit begann der Staat, Grundstücke zu verkaufen. Und das Geld führte innerhalb weniger Jahrzehnte zu krassen Veränderungen. Eiblmayr: „Zu viele zu groß dimensionierte Häuser wurden später zur Bürde.“
Geld, viel Geld, war stets im Hintergrund. Zuerst durch die Goldgewinnung, dann durch die Kirche als Macht und Eigentümer des Gasteinertales. Hier war der Reichtum von Salzburg und seiner Kirchenfürsten begründet.
Im Ambiente der Naturkulisse ging es auch immer darum, das Wilde zu zähmen. „Und in die tolle Landschaft schrammte die Geldarchitektur, die das Spektakuläre vereinnahmte“, so Eiblmayr. “
Was also macht den Reiz des Ortes aus? Eiblmayr: „Der Mix aus fremd implantierten Stilen mit einer viel zu großen Kirche für diesen frappierend kleinen Ort. Wo so getan wird, als wäre alles urban, obwohl man in wenigen Minu-ten durchspaziert ist. Bad Gastein ist wesentlich kleiner und ländlicher, als man denkt. Eigentlich eine Schlucht, die halt zugebaut wurde. Das erzeugt Spannung.“
Und das Schlagwort vom „Manhattan in den Bergen“?
Ein Euphemismus, der ohnedies nur Ende des 19. Jahrhunderts gestimmt hat.
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