Die Jagd nach dem Rekord-Bild

Das Bild gehörte einst dem Breslauer Industriellen Max Silberberg und wurde unter Druck der Nazis zwangsversteigert. Es gelangte später ins Jerusalemer Israel Museum, das es 2000 an Silberbergs Erbin zurückgab. Sie überließ es bis zu ihrem Tod 2013 dem Museum als Leihgabe.
Um an echte Highlights zu kommen, gehen Auktionshäuser oft ein riskantes Spiel ein.

Am Dienstag fällt in London wieder der Startschuss zur Auktionssaison: In der Königskategorie Impressionismus/Moderne rittern Christie’s (4.2.) und Sotheby’s (5.2.) in schon traditioneller Weise um ihre Marktdominanz.

Dass danach Rekordumsätze vermeldet werden und „das beste Ergebnis der Geschichte“ für bestimmte Künstler und Unterkategorien ausgerufen wird, gehört fast schon zum guten Ton. „Die Menschen sehen die großen Auktionen in London und New York als öffentlichen Maßstab dafür, wie es um den Markt bestellt ist“, erklärt Helena Newman, globale Chefexpertin für Impressionismus bei Sotheby’s, im KURIER-Gespräch. „Die Leute schauen auf diese Preise und berücksichtigen sie, wenn sie ihre Entscheidungen treffen, ob sie selbst verkaufen sollen oder nicht.“

Auktionen: Die Highlights in London

Die Jagd nach dem Rekord-Bild

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BRITAIN ARTS
Die Jagd nach dem Rekord-Bild

Lot 39 Van Gogh, L'homme est en mer.jpg
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Lot 3 Degas, Femme s'essuyant les pieds.jpg
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Lot 18 Picasso, Composition au Minotaure.jpg
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Lot 19 Picasso, La femme qui pleure I.jpg
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Lot 165 - Seurat - Mendiant Hindou.jpg
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Juan Gris, Nature morte à la nappe à carreaux, 1917 (estimate £12-18 million).jpg
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Enormer Druck

Der Druck auf die Auktionshäuser, „Zugpferde“ für die großen Verkäufe an Land zu ziehen, ist daher enorm. Und so kommt es vor, dass die Häuser just bei jenen Werken, die die höchsten Preise erzielen bzw. erzielen sollen, selbst wenig verdienen oder sogar Verluste schreiben: Im Kampf um das prestigeträchtigste Bild werden Zugeständnisse gemacht, die die Gewinne anknabbern.

Wenn ein Kunstwerk versteigert wird, verdienen Auktionshäuser auf zwei Seiten: Einerseits wird vom Einbringer eine Gebühr verlangt, auf der anderen Seite zahlt der Käufer eines Werks einen Aufschlag auf den Hammerpreis. Wie diese Provisionen letztendlich verteilt werden, ist aber oft genug Verhandlungssache: Bei besonders wertvollen Werken wird die Einbringer-Provision reduziert, oder sie fällt ganz. Manchmal werden die Top-Einbringer auch noch am Aufschlag beteiligt.

Die Vergabe sogennanter „Garantien“ erfuhr zwar durch die Finanzkrise ab 2009 einen Dämpfer, wird im Top-Segment aber weiter praktiziert: Das Auktionshaus garantiert dem Einbringer dabei einen bestimmten Preis und holt sich die Hilfe eines Investors von außen, um die Mittel aufzubringen. Übersteigt das Werk in der Auktion den garantierten Preis, wird der Investor am Erlös beteiligt. Bleibt das Höchstgebot unter dem garantierten Preis, muss das Auktionshaus die Differenz wettmachen.

Große Erwartungen

In den österreichischen Auktionshäusern Dorotheum und Im Kinsky wird die Garantie-Praxis nicht ausgeübt, hieß es auf KURIER-Anfrage.

Die Notwendigkeit von „Zugpferden“ bestätigt man aber auch hier: „Ich spüre, dass die Bereitschaft, Kunst einzubringen, nach einem hohen Preis steigt“, sagt Dorotheum-Expertin Christl Wolf, die 2013 in der Sparte „Gemälde des 19. Jahrhunderts“ einen Rekordpreis für ein Bild Hans Makarts („Tod der Kleopatra“, 757.300 €) vorweisen konnte.

Wenn von Rekorden inspirierte Sammler ihre Schätze zu Markte tragen, haben sie allerdings oft überzogene Preisvorstellungen. Und viele Auktionshäuser haben die Strategie, diesen nachzugeben und Einbringer mit hohen Schätzwerten zu locken, schon bereut, wie Marianne Hussl-Hörmann vom Auktionshaus „Im Kinsky“ erklärt: „Wenn man ein Bild zu hoch ansetzt, schaltet man Kaufinteressenten aus.“

KURIER: Das Hauptwerk Ihrer Auktion am Mittwoch, ein Pissarro-Gemälde, wurde restituiert. Ist Rückgabe weiterhin ein zentraler Faktor am Markt ?
Helena Newman: In den vergangenen 15 bis 20 Jahren haben wir mehr oder weniger regelmäßig Material gesehen, das aus Rückgaben oder Vergleichen stammt. Nur das teuerste davon macht Schlagzeilen – etwa die Schiele-Bilder, die wir aus dem Leopold Museum verkauft haben. Es ist aber richtig zu sagen, dass Restitution einer der Wege ist, auf denen Kunst in Museumsqualität auf den Markt gelangt.

Was sind die anderen Wege?
Wir sprechen von den „4 D’s“: Death (Tod, Erbschaft), Divorce (Scheidung), Debt (Schulden). Das vierte D ist „discretionary“ (etwa: „nach Ermessen“): Leute verkaufen, um etwas anderes zu kaufen, oder verändern den Charakter ihrer Sammlung.

Für Aufregung sorgte vorab der Verkauf von 85 Miró-Werken durch die portugiesische Regierung (Dienstag und Mittwoch bei Christie’s, Anm.): Sind öffentliche Sammlungen zunehmend gezwungen, zu verkaufen?
In den USA gibt es eine Tradition des selektiven Verkaufs aus Museen. In Europa gibt es Widerstand dagegen, und ich habe keine Zunahme solcher Verkäufe beobachtet. Das Leopold Museum war ein Sonderfall aufgrund der Restitutionsproblematik, und bei den Mirós geht es um die Sammlung einer Bank, die verstaatlicht wurde und nirgendwo mehr hinpasste.

Inwiefern verfolgen Sie die Debatte um die beschlagnahmte Sammlung Gurlitt in München?
Wir alle bei Sothebys haben das natürlich sehr genau verfolgt. Aber wir nehmen Fragen der Provenienzforschung ernst, und es scheint eine sehr komplexe Materie zu sein – es könnte sich über viele Jahre hinziehen.

Werden Werke der Gurlitt-Sammlung eines Tages auf den Markt kommen?
Ich denke schon. Aber es wird nicht so sein, das 1300 Bilder plötzlich am Markt auftauchen. Jedes Werk muss für sich erforscht werden, die Eigentumsverhältnisse müssen geklärt und eventuelle Ansprüche abgegolten werden, bevor es verkauft werden kann.

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