Ferien im Tempel der Askese

Ferien im Tempel der Askese
Die Ausstellung "Neue Wege, nichts zu tun" zeigt die Kunst der Verweigerung.

Die Generali Foundation stellte am vergangenen Sonntag ihren Ausstellungsbetrieb in Wien für immer ein. Die Kunsthalle Wien ist auf einem guten Weg, den Platz der Foundation als Wiens Tempel der Askese einzunehmen: Denn das Ausstellungsprogramm von Neo-Chef Nicolaus Schafhausen, so viel lässt sich am Ende seiner ersten Saison feststellen, huldigt ebenfalls der ästhetischen Reduktion und der Hinwendung zum Kunstdiskurs bei zugleich spärlicher Beschriftung der gezeigten Objekte.

Nach der eher misslungenen Interview-Ausstellung "Ökonomie der Aufmerksamkeit" wird nun im Erdgeschoß der Halle im MuseumsQuartier der Rückzug auf durchaus anschauliche und auch lustvolle Weise verhandelt: "Neue Wege, nichts zu tun" heißt die Schau, die passend zum Ferienbeginn eröffnete und Strategien der Verweigerung zum Inhalt hat.

Impressionen der Ausstellung

Ferien im Tempel der Askese

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Nichtstun als Revolte

Sich ausklinken aus der Logik der Arbeitswelt und des (Kunst-)Markts, demonstratives Nichtstun als Revolte: Diese Idee, wiewohl im Burn-out-Zeitalter hoch aktuell, ist nicht neu. Vom antiken Fassbewohner Diogenes über Asketen des Mittelalters bis zu den Flaneuren des 19. Jahrhunderts und den Aussteigern der Beatnik-Epoche gab es immer wieder Figuren, die es mit der Praxis der Verweigerung in den Kanon der Kunst, Philosophie und Literatur schafften.

Die Kuratorinnen der Kunsthallen-Schau, Vanessa Joan Müller und Cristina Ricupero, pickten sich aus dieser Tradition Hermann Melvilles Figur des Bartleby als Kristallisationspunkt ihrer Überlegungen heraus.

Der Schreiber, der in der 1853 veröffentlichen Erzählung beginnt, sämtliche Arbeitsaufträge mit dem Satz "Ich möchte lieber nicht" von sich zu weisen, findet sein Echo in der Schau etwa in dem stimmungsvollen Film "Un homme qui dort" (Ein Mann der schläft, 1974) von Georges Perec und Bernard Quesanne. Ein Student lässt darin seine Prüfung sausen und zieht ziellos durch die Straßen von Paris.

Das Pariser Künstlerkollektiv Claire Fontaine wickelte seinerseits den Buchumschlag von "Bartleby" um einen Ziegelstein – eine Vorgehensweise, mit der sonst manchmal Drohbriefe "versendet" werden. Der Tscheche Jíři Kovanda ließ sich 2008 wiederum ganz friedlich bei einer Aktion fotografieren, bei der er sein Handy demonstrativ nicht abhob.

Ein Weg von vielen

Die Verbindung zur literarischen Figur Bartleby hält die Schau allerdings nicht vollends zusammen – es gäbe noch zahlreiche weitere Querverbindungen, etwa zur Flaneur- und Bohemien-Tradition oder zur "Psychogeografie" der Situationisten, zu erforschen.

Insgesamt bietet die Schau ein durchaus stimmiges Arrangement von interessanten, bei aller Reduktion und Verweigerung durchaus auch humorvollen künstlerischen Arbeiten. Den Wunsch nach einer umfassenderen, auch kulturwissenschaftlich fundierten Auseinandersetzung mit der interessanten Thematik künstlerischer Verweigerung bleibt jedoch unerfüllt. Auch im Rahmenprogramm ist sie nicht zu erwarten – hier werden "Meditations-Sit-Ins" und ein Faulenzer- Tag für Kinder angeboten (27. 9.), eine Publikation zur Schau ist nicht geplant. Ist es der Ressourcenknappheit geschuldet oder ein bewusster Verzicht im Sinne von Bartlebys "Ich möchte lieber nicht"? Ein mehr, nicht ein weniger an Theorie wäre dieser Schau durchaus gut angestanden.

Info: Bis 12.10., Kunsthalle Wien, MuseumsQuartier. www.kunsthallewien.at

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