Kunst am Bahnhof: Monumental wird marginal

Die Bahnhof-Fresken des am Samstag verstorbenen Giselbert Hoke in Klagenfurt lösten 1956 einen Skandal aus. Heute werden sie als Hauptwerke österreichischer Malerei gelobt
Kunst wird zusehends zur Nebensache bei Bahnhöfen.

Rund eine Milliarde Euro hat der Bau des neuen Wiener Hauptbahnhofs gekostet.

Eine Ausschreibung zur künstlerischen Gestaltung des Baus, eine hochkarätige Jury, ein aufsehenerregendes Kunstwerk? Ein Budget von 1–2 Prozent der Bausumme, für Kunst reserviert?

Das war einmal Standard bei öffentlichen, sichtbaren Bauten. Die Fresken des am vergangenen Samstag verstorbenen Künstlers Giselbert Hoke am Hauptbahnhof Klagenfurt (1949–’56) erzählen davon. Ebenso jene von Max Weiler am Innsbrucker Bahnhof (1954– ’55), die 2001–2004 mit großem Aufwand demontiert, restauriert und im Neubau wieder installiert wurden.

Kunstwerk Dach

Am Wiener Hauptbahnhof fehlt hingegen solche "Kunst am Bau". Die ÖBB will den Vorwurf der Untätigkeit nicht auf sich sitzen lassen: "Bei Bahnhofsneubauten führen wir Architekturwettbewerbe durch, um eine individuelle künstlerische Handschrift beim Bau der Verkehrsstation abzubilden. Ich glaube, das ist uns mit dem markanten Dach des Wiener Hauptbahnhofs sehr gut gelungen", erklärt ÖBB-Holding-Sprecher Michael Braun. "Dazu haben wir mit der 160 m² großen DigiWall am Wiener Hauptbahnhof eine moderne, innovative Lösung gefunden, wechselnde Kunst- und Kulturschwerpunkte zu setzen."

Kunst am Bahnhof: Monumental wird marginal
Tatsächlich sind seit Herbst 2014 Kultur-Inhalte über die DigiWall geflimmert, meist in Kooperation mit Institutionen wie dem Kunstforum Wien. Während der Bauzeit lud man Street-Artists ein, temporäre Wände zu gestalten, die Initiative kam von der Galerie Hilger. Sie vermittelte auch zwei große Bilder des isländischen Künstlers Erró, die ab Mittwoch im Foyer der ÖBB-Zentrale zu sehen sein werden – als Geschenk des Künstlers.

Was diesen ÖBB-Projekten fehlt, ist die Eigeninitiative – auch Peter Koglers Gestaltung des Grazer Bahnhofs gäbe es ohne das Kulturhauptstadt-Jahr 2003 nicht.

Zur Kulturarbeit ist das Beförderungsunternehmen auch nicht verpflichtet. Generell ist die Situation für "Kunst am Bau"-Projekte unübersichtlich geworden. Privatisierungen und Auslagerungen zersplitterten in vergangenen Jahren das Füllhorn öffentlicher Aufträge für Künstler; in einigen Bundesländer-Fördergesetzen sind heute Kunst-Quoten enthalten, in anderen nicht. Firmen wie die Bundesimmobiliengesellschaft BIG betreiben jedoch weiterhin Kunst-am-Bau-Programme mit Ausschreibungen und Jurys.

Große Lösung erhofft

In Wien ist die Kunst im Öffentlichen Raum GmbH (KÖR) für die Abwicklung derartiger Prozesse zuständig. KÖR-Chefin Martina Taig führt seit Langem Gespräche zum Hauptbahnhof: "Wir versuchen aber nicht nur auf das Verkehrsstationsgebäude zu fokussieren, sondern etwas hinzubekommen, damit das komplette Gebiet um den Hauptbahnhof sichtbar wird", sagt sie. Dazu müssten eben mit vielen Playern Rahmenbedingungen geklärt werden, sagt Taig. Sie ist optimistisch, dass die Ausschreibung eines großen Projekts folgt: "Früher oder später kommt dann doch der Wunsch nach Kunst und Kultur."

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