„Ich bin ein ganz scharfer Hase“, sagte er und löst jetzt Beethoven ab. Denn das Jahr 2021 steht ganz im Zeichen von Joseph Beuys, der heuer 100 Jahre alt geworden wäre.
Die Themen der Gegenwart waren auch schon die des 1986 in Düsseldorf gestorbenen Künstlers, der glaubte, dass man die Gesellschaft von der Kunst her verändern kann und postulierte: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“
Der Mann mit dem Filzhut hat schon seinerzeit auf die ökologische Krise hingewiesen, die Grünen mitbegründet und ein allein auf Gewinn ausgerichtetes politisches System kritisiert. Rund 20 Museen und Institutionen in Deutschland widmen Beuys heuer Ausstellungen. Auch das Wiener Belvedere: „Joseph Beuys. Denken. Handeln. Vermitteln“ (ab 4. 3.).
Ein großer Spötter
Das Scheitern des Menschen war das Thema von Friedrich Dürrenmatt. Korrupt, verant-wortungslos, verlogen, dumm zeigte er ihn in seinen Stücken und Romanen, aber mit dem Humor der Groteske und anarchischer Heiterkeit.
Er sah sich als Diagnostiker der Welt, nicht als ihr Therapeut. Ihn interessierten die Paradoxien und Konflikte unserer Welt, aber er wollte immer auch unterhalten.
Mit „Der Besuch der alten Dame“ und „Die Physiker“ schrieb der Schweizer zwei Stücke, die in der Zeit des Wirtschaftswunders und der atomaren Aufrüstung einen Nerv trafen und seither auf dem Theater weltweit Triumphe feiern.
Über den großen Spötter, Fortschrittsskeptiker und Visionär mit dem düsteren Weltbild, der heuer 100 geworden wäre, ist bei Diogenes eine 752-Seiten-Biografie von Ulrich Weber erschienen, in der viel zu entdecken ist.
Literatur wie eine Orgie
Frankreich feiert heuer Napoleon Bonaparte – der französische Kaiser starb am 5. Mai 1821 in der Verbannung auf der Südatlantik-Insel St. Helena – und vor allem seine Literaten: Gustave Flaubert, vor 200 Jahren geboren, begründete mit dem Roman „Madame Bovary“ das, was als modernes realistisches Erzählen gilt und schrieb Sätze wie: „Die einzige Art, das Dasein zu ertragen, besteht darin, sich an der Literatur wie in einer ewigen Orgie zu berauschen.“
Aus demselben Jahrgang stammt auch der nicht weniger skandalumwitterte Charles Baudelaire, der mit dem Gedichtzyklus „Die Blumen des Bösen“ den Grundstein für die moderne europäische Lyrik gelegt hat.
Schließlich jährt sich im Juli der Geburtstag von Marcel Proust zum 150. Mal. Sein Monumentalroman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ ist eine herausfordernde Gipfeltour des Lesens, aber jede Mühe wert.
Preisgekrönt die Lesung der sieben Bände und mehreren tausend Seiten von Peter Matic: Die 329 Folgen sind im Radio bei rbbKultur seit dem 4. Jänner (Montag bis Freitag, 11:10 Uhr) zu hören und stehen dann parallel auch auf rbbkultur.de, in der ARD Audiothek und als Podcast zur Verfügung.
Außerdem erscheinen die vor zwei Jahren im Nachlass des Verlegers Bernard de Fallois entdeckten und nie veröffentlichten Erzählungen aus dem „Freuden und Tage“-Umfeld auf Deutsch als „Der geheimnisvolle Briefschreiber“ bei Suhrkamp.
„Es beginnt furchtbar...“
Mexiko erinnert an die Eroberung der Azteken-Hauptstadt Tenochtitlan am 13. August 1521 durch die spanischen Eroberer. Und Italien zum 700. Todestag an seinen Nationaldichter Dante Alighieri: Sein Versepos „Die Göttliche Komödie“ – die Beschreibung einer fiktiven Wanderung durch die drei Reiche des Jenseits: Hölle, Fegefeuer und Paradies – machte italienisch zur Literatursprache und war prägend für das Denken und die Vorstellungswelt Europas.
„Commedia“ online
„Es beginnt furchtbar und hässlich und endet mit dem Schönen und Wünschenswerten“ – so Dante selbst über seine „Commedia“. Und die Uffizien in Florenz zeigen im Internet die Ende des 16. Jahrhunderts angefertigten 88 Dante-Illustrationen des Malers Federico Zuccari, der an den Fresken der Kuppel des Florentiner Doms Santa Maria del Fiore mitgearbeitet hat (www.uffizi.it/en/magazine/ dante-the-vision-of-art).
Mario Lanza, Ástor Piazzolla, Enrico Caruso und Camille Saint-Saëns gehören neben vielen anderen zu den großen Persönlichkeiten der klassischen Musik, die in diesem Jahr geehrt werden.
Konservativ mit Skepsis
Alfred Brendel feierte am Dienstag seinen 90. Geburtstag. Er fühlte sich als Pianist „oft als Charakterdarsteller“ und „wollte sich – soweit es geht – verwandeln“, und die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb über seine Interpretationen: „Konservativ, aber mit Skepsis.“
„Die Erscheinung täuscht, aber es könnte schlimmer sein“, scherzte er vor fünf Jahren bei einem ZDF-Interview: „Ich habe den Eindruck, jetzt könnte ich sterben – aber dann kommt immer noch etwas dazwischen“.
Zum Beispiel der Echo Klassik. Mit dem renommierten Musikpreis würdigte die Deutsche Phono-Akademie 2016 das Lebenswerk des Ausnahmemusikers.
Widerstand
„Das Gesetz ändert sich, das Gewissen nicht“, sagte Sophie Scholl, die am 9. Mai 100 Jahre alt geworden wäre, als Widerstandskämpferin mit ihrem älteren Bruder Hans und weiteren Vertrauten der „Weißen Rose“ die Verbrechen des Nationalsozialismus in Frage gestellt und dafür mit dem Leben bezahlt hat.
Ihre Geschichte ist auch 78 Jahre nach ihrem gewaltsamen Tod von Bedeutung und nachzulesen in zwei neuen Büchern: „Sophie Scholl: Es reut mich nichts: Porträt einer Widerständigen“ (Propyläen Verlag) von Robert M. Zoske. Und „Wie schwer ein Menschenleben wiegt: Sophie Scholl“ (Verlag C. H. Beck) von Maren Gottschalk, die schreibt: „Dieser Lebenshunger, diese Ressource des Optimismus, der Freude, des Glücklichsein-Könnens über die Schönheit der Welt, das Lachen, das war ein ganz starker Zug von ihr.“
Nicht nur der österreichische Dichter Erich Fried und die Schriftstellerin Ilse Aichinger hätten heuer ihren 100. Geburtstag gefeiert.
Auch der 2004 verstorbene Weltbürger, Schauspieler, zweifache Oscar-Preisträger, Regisseur, Produzent, TV-Moderator und Autor Sir Peter Ustinov, dessen ebenso klugen wie pointierten Kommentare wir schmerzlich vermissen. Etwa seine zeitlos gültige Feststellung: „Unsere Zeit braucht weniger Überzeugungen und mehr Zweifel. Überzeugungen trennen die Menschen. Aber Zweifel haben wir alle.“
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