Miss Baltikum für Kunstsinnige

Neuer Akzent in der Prachtkulisse der alten Hansestadt Riga: das markante „Gaismas pils“ („Lichtschloss“) – der gigantische Neubau der Nationalbibliothek aus Glas und Aluminium am linken Daugava-Ufer
Lettlands Hauptstadt Riga und die nordschwedische Studentenstadt Umeå.

Angeblich stehen in Riga mehr Jugendstilgebäude als in Wien oder Barcelona, insgesamt rund 800. Dazu kommen einige Hundert schmucke historische Holzhäuser aus dem 19. Jahrhundert in der Hansestadt, deren Zentrum die UNESCO 1997 zum Weltkulturerbe erklärt hat.

Die Europäische Kulturhauptstadt 2014 (gemeinsam mit Umeå in Schweden) will zum Festjahr unter dem Motto „Force Majeure“ (Höhere Gewalt) „die besondere Rolle der lettischen Kultur in Europa aufzeigen“, sagt die Programmdirektorin Aiva Rozenberga.

Bücherkette

Die rund 200 Kulturprojekte und Veranstaltungen von Mitmach-Aktionen bis zur großen Sonnenwendfeier – auch in Turaida, einem der schönsten Orte in Lettland (21. bis 24. Juni) – bei einem Etat von 24 Mio. Euro sind – typisch für Lettland – stark musikalisch ausgerichtet.

Schließlich ist die größte Stadt im Baltikum – wie auch Lettland selbst – ja für Chöre und Opernsänger bekannt. Stichwort: Elina Garanca.

Im Mittelpunkt der Eröffnung (17. bis 19. 1.) steht eine lebende Bücherkette: 25.000 Menschen sollen Bücher von der Alten Nationalbibliothek an den neuen Standort weiterreichen. Ihre Lieblingsbücher konnten die Menschen schon vorab abgeben. Sie werden dann ihren Platz in einem 25 Meter hohen „Buchregal des Volkes“ im Foyer finden.

Die symbolische Massenaktion erinnert an den Baltischen Weg 1989. Damals säumten mehr als eine Million Menschen vom estnischen Tallinn über Riga bis ins litauische Vilnius die Straßen, um für ihre Freiheit zu demonstrieren.

25 Jahre später sollen die Bewohner von Riga die Bücher aus acht Gebäuden der alten Nationalbibliothek einmal quer durch die Stadt ins modern-markante „Gaismas pils“ („Lichtschloss“) am linken Daugava-Ufer reichen.

Im asymmetrischen Bibliotheks-Neubau, der wirkt wie ein aufgeschütteter Berg, wird auch die große kulturhistorische Ausstellung „Das Buch 1514–2014“ (1. 7. bis 31. 12.) der 500-jährigen Geschichte des Buchdrucks gewidmet sein.

Chormusik-Festival

„Die Idee ist, damit buchstäblich für Kultur und Werte einzustehen. Die Letten sind ein singendes und lesendes Volk. Dies hat sich wirklich über Generationen bewahrt und wird weitergegeben“, sagt Rozenberga.

Deutlich werden dürfte die Sangesfreude vor allem bei den „World Choir Games“ (9. bis 19. 7.) mit mehr als 20.000 Sängern aus fast 90 Ländern.

Rigas Rolle als eine Stadt der Musik wird auch mit der Neuinszenierung der Oper „Rienzi“, die Richard Wagner hier zu komponieren begann, unterstrichen – in der berühmten Nationaloper, einem klassizistischen Gebäude von 1863.

Weltstars wie der Geiger Gidon Kremer oder der Dirigent Maris Janssons kommen für Konzerte in ihre Heimatstadt zurück.

Ein beeindruckendes Erlebnis ist auch der Besuch eines Konzerts mit Werken von Bach oder Brahms im St. Marien Dom: Die Orgel mit ihren 6768 Pfeifen zählt zu den größten und klangschönsten in Europa.

In mehreren Museen wird die Bernsteinstraße ebenso Thema wie der Beginn des Ersten Weltkriegs.

Lichterfest

Schließlich illuminieren Lichtkünstler die 700.000 Einwohner-Metropole: Das Festival „Riga leuchtet“ (14. bis 18. 11.), das größte Lichterfest in Nordeuropa, verwandelt die Stadt in ein Farbenmeer.

Rigas historische City mit ihren sakralen und bürgerlichen Prachtbauten – aufwendig restauriert – ist eine Huldigung an die Vergangenheit. Und die Moderne wird harmonisch integriert. Ein Beispiel dafür sind die ehemaligen Speicher, die Spikeri, neben dem Zentralmarkt.

Die Backsteingebäude aus dem 19. Jh. werden mehr und mehr zur Heimat der freien Kulturszene. Die bedeutendste Einrichtung ist „kim?“, Ausstellungsprojekt des Museums für zeitgenössische Kunst. Der Name ist ein Kürzel für die Frage: Kas ir maksla? Was ist Kunst?

„Die Vergangenheit war hier vielleicht größer als die Gegenwart“, sagt ein Stadtführer, „doch auch diese ist noch ansehnlich genug.“

Umea: Ein Fenster zur Sami-Kultur in Schweden

Die unbekannteste Kulturhauptstadt aller Zeiten, aber sicher nicht die uninteressanteste liegt sechseinhalb Autostunden nördlich von Stockholm: Umeå präsentiert sich als junge Studentenhochburg und stellt die Sami-Kultur ins Schaufenster. Schließlich sind die Samen die einzigen Urvölker Europas. Der Sami-Kalender mit acht Jahreszeiten (Pflege, Erwachen, Rückkehr, Wachstum, Besinnung, Ernte, Verlangen und Reise) orientiert sich an der Wanderung der Rentiere. Ausstellungen geben Einblick in Alltag und Leben der Samen. Am Eröffnungswochenende (31. 1. bis 2. 2.) können Gäste auf dem Rathausplatz eine Sami-Hütte in einer Schneelandschaft besuchen.

www.riga2014.org

www.umea2014.se

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