Künstler Weiner zum Flakturm: "Sie machen einen Scheißjob"
„Was soll ich sagen? Ich kann dem Fortschritt nicht im Weg stehen. Und Wien wird kulturell kollabieren, wenn es nicht ein weiteres Kaffeehaus bekommt. Das gibt es jetzt da oben am Flakturm.“
Lawrence Weiner gelingt es nicht, seine Bitterkeit hinter Sarkasmus zu verbergen. Sein Schriftzug „Zerschmettert in Stücke (im Frieden der Nacht)“, der seit 1991 auf dem Haus des Meeres im Esterhazypark prangte, wurde im Zuge des Umbaus übermalt – durch eine Schrift, die jene Weiners in der Anmutung imitiert, aber lediglich das Aquarium und die historische Präsentation „Erinnern im Innern“ bewirbt.
Eine Legende
Für Weiner (77), der seit 1960 in Ausstellungen aktiv ist und zu den Gründervätern der Konzeptkunst zählt, gehörte der Flakturm zu den monumentalsten und meistreproduzierten Arbeiten seines Oeuvres. Doch war das Werk nicht von vornherein nur temporär angelegt?
„Das war es, und dann wieder nicht“, sagt Weiner zum KURIER. „An einem Punkt beschloss die Stadt, dass es ihr Werk war, und ich fand das super. Also verlieh ich die Arbeit. Aber irgendwann wäre zu akzeptieren gewesen, dass das Werk nicht den Eigentümer gewechselt hat. Wir hätten ein Arrangement treffen können, in dem ich alle paar Monate etwas bekomme und das Werk in Stand gehalten wird. Das hätte mir gefallen, ja. Aber man hat mich gar nicht in die Konversation eingebunden.“
Der Trägerverein des Haus des Meeres, der den Flakturm 2015 als Eigentümer übernahm, hatte nie viel Interesse an Weiners Beschriftung. Für den New Yorker, der mit Bart, Mütze und Tattoos selbst an einen Seebären erinnert, war der Flakturm jedoch gerade deshalb ein gelungenes Werk, weil die Wörter vom Publikum „benutzt“ wurden.
„Es ging ursprünglich gar nicht um die ,Kristallnacht‘ oder dergleichen“, erzählt Weiner. „Ich stand einfach in Wien und hörte, wie mitten in der Nacht Bierflaschen an einer Wand zerschlagen wurden.“ Erst im Austausch mit den Betrachtern und dem Ort seiner Präsentation entwickelte der Spruch ein eigenes Leben.
Diese Lebendigkeit ist ein Schlüssel zu Weiners Kunstbegriff: „Jede Kunst, die ich in die Welt setze, soll erlauben, seinen eigenen Platz in der Welt besser zu verstehen“, sagt Weiner. „Kunst schwimmt ständig umher und sucht einen Platz zum Anlegen. Wenn sie vertäut ist, ist sie Kunstgeschichte.“
Die Wiener Galerie Hubert Winter, der Weiner seit 35 Jahren verbunden ist, zeigt bis August neue Werke, die auffallend oft Bilder von Wasser und Schifffahrt evozieren: „All Above Board / Alle Über Bord“ liest sich ein Schriftzug, ein anderer wurde ins Wienerische übersetzt: „Fortgetrieben auf der Oberfläche des Wassers / Ohtriebn und Gwassert“.
Allein das Haus des Meeres bleibt in Kunstdingen trocken. „Ich weiß, ich sollte das nicht sagen, aber wer immer den Flakturm neu designt hat, hat einen Scheißjob gemacht“, sagt Weiner.
„Aber ich will jetzt keinen Streit mehr anzetteln. Es ist nichts falsch daran, keine Kunst zu haben. Viele Menschen können gut damit leben, ihr keine Beachtung zu schenken.“
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