"Sibirien“ als großes Opern-Kino bei den Bregenzer Festspielen

BREGENZER FESTSPIELE: FOTOPROBE "SIBIRIEN"
Heurige Hausoper ist das fast vergessene Werk von Umberto Giordano (Von Susanne Zobl).

Eine Oper mit dem Titel „Sibirien“ als Antwort der Bregenzer Festspiele auf das aktuelle Kriegsgeschehen? Nicht wirklich. Eher auf die „Butterfly“ auf der Seebühne. Da der passionierte Autofahrer Puccini nach einem Unfall diese nicht rechtzeitig zur Scala-Eröffnung anno 1903 abliefern konnte, kam Umberto Giordano zum Zug. Dessen Oper aber ist heute fast vergessen. Verständlich, große Emotionen werden oft nur angedeutet, aber nicht ganz ausgemalt.

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Die großen Momente gehören dem Chor, die fordernden Passagen den Solisten. Die Musik klingt russisch, ist aber im Grunde italienisch, so als hätte sie sich nur in manchen Passagen verkleidet.

Die Geschichte ist schlicht und in knappen Szenen komprimiert. In deren Zentrum steht Stephana, eine Art Manon Lescaut, die vom vom Kuppler Gleby an wohlhabende Herren vermittelt wird. Doch davon weiß ihr wirklicher Geliebter, der junge Offizier Vassili nichts. Als er sie bei einem Fürsten antrifft, setzt er den Rivalen außer Gefecht und kommt in ein Straflager im titelgebenden Sibirien. Stephana folgt ihm. Als sie mit Vassili fliehen will, wird sie von den Wachen erschossen.

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Film in mehreren Episoden

Regisseur Vasily Barkhatov (übrigens der Ehemann der Sopranistin  Asmik Grigorian, die demnächst in Salzburg in Puccinis „Il Trittico“ zu erleben ist) weiß, was zu tun ist. Er ersinnt eine praktikable Rahmenhandlung und zeigt sie als Film in mehreren Episoden auf einer Großleinwand. Eine betagte Frau (Clarry Bartha) reist von Rom mit einer Urne und einem holzgeschnitzten Vogel nach Sibirien. Im Laufe des Abends wird man erfahren, dass sie die Tochter von Stephana und Vasily ist. Barkhatov vereint da zwei Welten, das alte und das neue Russland, Nouvelle Vague auf der Cinemascope-Leinwand und Schinken à la „Dr. Schiwago“  auf Christian Schmidts klug ausgestatteter Bühne.

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Ein Salon aus einem vergangenen Jahrhundert, ein russisches Staatsarchiv mit Sowjet-Malerei im Hintergrund und eine Schein-Idylle im Straflager, wo Männer schwere Kohle-Wägen schleppen und fröhliche Frauen Kuchen aufwarten, schaffen die Gegenwelten. Das funktioniert gut.

Was man von der Besetzung so nicht behaupten kann. Die Sopranistin Ambur Braid ist eine Stephana im Dauer-Espressivo, die Emotionen durch Intensität ersetzt. Alexander Mikhailov phrasiert feinsinnig, verfügt über ein schönes Timbre, aber ihm fehlt als Vassili die Durchschlagskraft. Scott Hendricks zeigt den Gleby als veritables Ekelpaket. Omer Kobiljak ergänzt nobel als Fürst. Solide der Rest der Besetzung, ebenso der Prager Philharmonische Chor. Dirigent Valentin Uryupin setzt auf breiten Vollklang. Manche Passagen klingen wie der Sound zu einem bombastischen Hollywood-Film. Viel Applaus vom Premierenpublikum.

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