Kritik: Verzweifelter Versuch einer Unterwerfung

Kritik: Verzweifelter Versuch einer Unterwerfung
Ali M. Abdullah scheitert im Werk X mit seiner Dramatisierung des Houellebecq-Romans.

"Unterwerfung" von Michel Houellebecq ist wohl einer der wichtigsten Romane dieses Jahrzehnts. Denn der französische Autor schildert darin, wie die intellektuelle Elite, die den Hedonismus jeder Ethik vorzieht, sich neuen Verhältnissen anpasst – und dem Islamismus unterwirft. Ali M. Abdullah, Co-Direktor des Werk X, gelang es, sich die Rechte für die Dramatisierung zu sichern. Ein Coup. An der Umsetzung aber ist er leider gescheitert.

Dies beginnt schon mit der Charakterisierung des Ich-Erzählers: François, Literaturwissenschaftler an der Sorbonne, ist ein überheblicher, zu Liebesbeziehungen unfähiger Macho, der das Vokabular des Gourmets verinnerlicht hat, sich aber zumeist von Tiefkühlfraß ernährt. Mit jedem Studienjahr wechselt die Studentin, von der er es sich "besorgen" lässt.

Müder Waschlappen

Im Kabelwerk von Meidling hingegen stoßen wir auf einen Waschlappen (Marc Fischer). Wie einst Bob Dylan bei "Subterranean Homesick Blues" hält er einen Packen Zettel mit Wörtern in der Hand, die er hintereinander fallen lässt. Er sei seiner überdrüssig, ist da zu lesen. Doch diese Verknappung – im Roman stellt sich der Held seitenlang vor – ist zu radikal. Zumal gleich darauf der mit Fremdwörtern und Namen überfrachtete Smalltalk auf der Uni folgt: Wer den Roman nicht gelesen hat, steigt aus.

Die Schauspieler hasten durch die Textmassen, und wenn sie ins Mikro reden, versteht man sie ob des Halls nicht. Erst nach geraumer Zeit wird die Situation im Jahr 2022 klar. Houellebecq beschreibt, wie es zur Machtübergabe an die Bruderschaft der Muslime kommt (und nicht zur "Machtübernahme" durch diese, wie im Programmheft fälschlicherweise behauptet wird).

Mit dem Schriftsteller Joris-Karl Huysmans, für den Ich-Erzähler von entscheidender Bedeutung, hält sich Abdullah nicht länger auf: Er stellt die Flucht von François aus Paris ins Zentrum – und einen VW auf die Bühne. In dieser Schmalspurinszenierung ist es ein Touran statt eines Touareg mit V8-Motor. Dies führt zu kapitalen Missinterpretationen, wenn sich ein Mann über ein Auto definiert. François ist alles andere als ein Familienvater.

Die beklemmenden Situationen in der Provinz werden zudem nicht spürbar. Ohne Grund versucht sich Abdullah als Frank-Castorf-Plagiator: Die Gespräche mit Arthur Werner als überzeugendem Geheimdienstmitarbeiter finden zumeist im Auto statt. Sie werden mit Mikros und Videokamera nach außen übertragen, als Garnierung gibt es etwas Slapstick.

Völlig versemmelt wurde auch die Geschichte mit Myriam: Ihre Eltern fliehen in düsterer Vorahnung nach Tel Aviv, sie muss mit. Doch immer, wenn sie aus dem Exil ein Mail schreibt,steht Hanna Binder leibhaftig auf der Bühne. Erst nach der Pause stimmen Tempo und Ausrichtung. Zu verdanken ist dies Christian Dolezal als machtvollem Robert, der sich mit den Muslimen arrangiert hat.

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