Von der Melancholie bei Bach und Brahms zu Beethovens Furor

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von Susanne Zobl
Der Pianist Igor Levit ist eine der erstaunlichsten Künstlerpersönlichkeiten unserer Zeit. Denn er lässt mit seinen verblüffenden, tiefsinnigen Interpretationen nicht aus dem Staunen herauskommen. So auch bei seinem Solo-Abend im ausverkauften Großen Festspielhaus in Salzburg.
An den Beginn stellt er Johann Sebastian Bach. Dessen Chromatische Fantasie und Fuge d-Moll, BWV 903, hebt er mit kristallinen Anschlägen an, spielt seine Virtuosität aus, doch nie als Selbstzweck, sondern um den Tiefgang seiner Interpretation besonders hervorzuheben. Nahezu avantgardistisch aufwühlend muten manche Passagen an und setzen so wahrhaftige Emotionen frei.
Bach hat dieses Werk angeblich anlässlich des Todes seiner ersten Ehefrau Maria Barbara 1720 geschrieben. Historisch verbrieft ist das nicht, aber sehr wahrscheinlich. Levit verfolgt diese These in seinem Spiel und lässt sublime Trauer ganz zart durch sein feingliedriges Spiel schimmern. Das klingt so schön, dass es schmerzt. Diese Gemütslage übernimmt er bei den „Sechs Klavierstücken“, op. 118, von Johannes Brahms und lässt diese zum veritablen Ereignis werden.
Kristalliner und flüssiger Honig
Levits zuvor kristallklare Anschläge wandeln sich, werden weicher, die Klänge des Flügels könnte man mit golden leuchtendem Honig vergleichen. Eine Offenbarung das langsame Intermezzo. Auch hier legt sich wie bei Bach eine Trauer sanft über das Spiel, nur in anderem Gewand, und spannt den Bogen bis zum bewegenden Ende.
Wie ein Kontrastprogramm mutet dann im zweiten Teil Ludwig van Beethovens siebte Symphonie, in A-Dur, op.92 in der Klavierbearbeitung von Franz Liszt an. Der Virtuose schrieb diese Symphonie für Könner wie ihn selbst, das heißt, er stellt größte Herausforderungen an jeden Pianisten. Levit, der nicht erst seit der Gesamteinspielung aller Sonaten von Beethoven, diesen Komponisten zu seinem Kernrepertoire zählt, ließ die tänzerischen Passagen fulminant hören. Den Applaus zwischen den Sätzen nimmt er gelassen hin.
Mit Furor gerät dann das Finale. Ein Novum bei diesem Pianisten war dann die Zugabe. Levit überraschte mit einem Nocturne von Fréderic Chopin. Stehende Ovationen.
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