Wiener Akademie-Galerie schaut mit Röntgenblick nach Rom und Venedig

Der Markusplatz in Venedig mit Menschen und Gebäuden an einem bewölkten Tag.
In jahrzehntelanger Arbeit wurden die italienischen und französischen Bestände erforscht. Eine Ausstellung zeigt nun Highlights.

Venedig zu bereisen, kann mühsam sein: Entweder wird die Stadt durch Oligarchenhochzeiten blockiert, oder es schieben sich die Touristenmassen durch die Gassen, was insbesondere in Kombination mit Sommerhitze verzichtbar ist. Man kann also getrost ins Museum gehen und sich dort Bilder des Markusplatzes anschauen.

Fernreisen in Gemäldegalerien waren auch schon zu früheren Zeiten ein verbreitetes Hobby. Natürlich: wer wirklich etwas auf sich hielt, unternahm die sogenannte „Grand Tour“, um Venedig, Florenz, Rom und Neapel aus der Nähe zu sehen. Man fand dort stets auch Maler vor, die die beliebtesten Motive als mehr oder hochwertige Souvenirs darboten – oft in einem einheitlichen, schon auf den Transport abgestimmten „Kofferformat“, wie die Kunsthistorikerin Martina Fleischer erzählt. 

Die langjährige Kustodin an der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste hat den gesamten Bestand der italienischen und französischen Gemälde in den Sammlungen der Institution in einem Katalog aufgearbeitet – ein Umterfangen, das sich von den frühen 1990ern bis zu  Fleischers Pensionierung 2021 und darüber hinaus hinzog und das maßgeblich von Renate Trnek, der einstigen Leiterin der Institution, die 2023 überraschend verstarb, angestoßen wurde. 

Gemälde des belebten Markusplatzes in Venedig mit dem Uhrturm und der Markuskirche.

Gewissermaßen als Spin-Off dieses Großprojekts hat Fleischer nun eine Ausstellung mit Highlights der italienischen und französischen Bestände kuratiert, die bis 7. September zu sehen ist. Es ist eine fokussierte Schau, die eine ganz andere Philosophie des Sammelns vermittelt, als es etwa die kaiserlichen Bestände im KHM tun.

Ein Graf mit Lehrauftrag

Graf Anton Franz de Paula Lamberg-Sprinzenstein (1740-1822) hatte bereits die Idee einer „Best-of“-Sammlung zur akademischen Ausbildung von Künstlern im Hinterkopf, als er jene Kollektion anlegte, die mit seinem Tod an die Wiener Akademie überging. Der Aristokrat hatte Beziehungen zu Italien – er arbeitete in den 1770ern als Botschafter in Turin und Neapel und beriet seinen Cousin, Nikolaus II. Prinz Esterhazy, bei seinen Kunstreisen. Trotzdem, so schreibt Fleischer in ihrem Katalog, kaufte er die meisten „Italiener“ erst später bei Händlern in Wien: Hintergrund war eine prekäre finanzielle Situation, die den Sammler auch lange dazu zwang, unstandesgemäß in einer Mietwohnung in der Wiener Walfischgasse zu wohnen. 

Anton Graf Lamberg-Sprinzenstein, in einem braunen Rock mit goldenen Knöpfen, porträtiert.

Nichtsdestotrotz trug Lamberg – neben Werken Rembrandts und anderer nordeuropäischer Maler – auch viele Schätze aus Italien zusammen: Darunter etwa Venedig-Ansichten Francesco Guardis (1712-1793), die Fleischer wegen der virtuosen Darstellung von Wolken und Atmosphäre lobt. Wie man bei den technischen Untersuchungen der Bilder herausfand, übermalte der Künstler mit den Stadtansichten teilweise frühere Arbeiten, die religiöse Szenen zeigen: Eine ökonomische Entscheidung, die verdeutlicht, dass heute museale Künstler einst ebenso Zeitgenossen waren, die ihre Motive schlicht nach Angebot und Nachfrage ausrichteten.

Gemälde des belebten Markusplatzes in Venedig mit dem Uhrturm und der Markuskirche.

Status und Seelenzustand

Ein Fenster ins künstlerische Leben von einst bietet dazu ein faszinierendes Gemälde, das den französischen Künstler Pierre Subleyras (1699-1749) in seinem Atelier zeigt: Der Künstler, der seine Karriere in Rom machte und dort u. a. als Porträtist es Papstes gefragt war, zeigt sich dort umgeben von einem „Best-of“ seiner Arbeiten für Hof und Kirche. Einige der „Bilder im Bild“ sind wiederum als  Originale in der Schau zu entdecken. Erst 1969 aber entfernte man eine aufgeklebte Leinwand auf der Rückseite des Werks – und entdeckte dort ein zweites Selbstporträt, das der Künstler kurz vor seinem Tuberkulose-Tod mit viel größerer Direktheit und Offenheit gemalt hatte. 

Ein Künstler in seinem Atelier, umgeben von Gemälden und Skulpturen.

Unabhängig von den Motiven und Erzählungen gibt die Schau so auch einen Blick auf die Lebenswelt der Künstler, ihrer Käufer und Auftraggeber. Möglich ist das freilich nur durch das, was Kuratorin Fleischer „Grundlagenforschung der Kunstwissenschaft“ nennt: Die Akribie und Beharrlichkeit, die die Fachleute an den Universitäten und Museen an den Tag legen, kann Plattformen wie diese gut vertragen. 

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