Es war einmal... ein Star der Vokalartistik
Man sollte sich seine Erinnerungen nicht so brutal zerstören lassen. In der Staatsoper war am Donnerstag eine Legende zu besichtigen, die längst Musikgeschichte geschrieben hat. Aber mehr schon nicht. Denn zugleich war eine kolossale Enttäuschung zu erleben: Im Wissen, wie grandios Al Jarreau vor 30 Jahren live auf der Bühne war, ist einem diesmal zum Heulen zumute.
Vokal marginal
Los geht’s beim Jazz Fest Wien mit dem Funk-Jazz- Kracher "Boogie Down".
Aber rasch wird klar: Was beim bisher einzigen Sänger in der Musikgeschichte, der sieben Grammy-Awards in drei verschiedenen Kategorien – Rhythm & Blues, Jazz und Pop – gewonnen hat, einmal vokal phänomenal war, ist heute nur noch vokal marginal.
Und was schon ziemlich brüchig klingt, wird kaschiert: durch allerlei clowneske Mätzchen und Späßchen des 74-jährigen Charismatikers; durch eine fünfköpfige Band, die sich gnädig ins Zeug legt, wo’s bei Jarreau ganz dünn wird; und durch einen sangesfreudigen wie stimmkräftigen E-Bassisten, den der Star des Abends mit schmalzigen Songs ins Rampenlicht stellt.
Das ist der große Unterschied zum Vortag: Da lag bei Buika der Fokus auf ihrer großartigen Stimme, subtil unterstützt von zwei Instrumentalisten.
Bei Jarreau müssen Party-Sound, die Animation zum kollektiven Mitklatschen, verbale Freundlichkeiten über die Musikstadt Wien und eine ungenierte Aufforderung, doch die aktuelle CD "My Old Friend: Celebrating George Duke" käuflich zu erwerben, über den erschreckenden Mangel an Stimmmaterial hinwegtäuschen.
Und auch beim breit ausgewalzten Klassiker "Take Five" von Paul Desmond und Dave Brubeck zum Kehraus ist mehr der Song der Star als der Popstar unter den Jazz-Sängern.
Das Publikum war beim Applaus in Geberlaune und dankte mit Standing Ovations. Wie gesagt: Ein Denkmal war zu besichtigen. Die große Kunst des einst großartigen Vokalartisten gibt’s nur mehr auf alten Plattenaufnahmen konserviert.
KURIER-Wertung:
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