Veit Heinichen: Egal, ob Drogen, Waffen, Kunst

Veit Heinichen schaut von Triest aus nach ganz Europa
KURIER-Gespräch mit Veit Heinichen über den Markt, den die Mafia entdeckte, und über den neunten Krimi mit Commissario Laurenti

Ein Hündchen namens Gulasch läuft durch die Straßen Triests. Jemand singt von der Verführung süßsauer eingelegter, frittierter Sardellen ... und in der Gran Malabar – zumindest dieses Lokal gibt es, Piazza San Giovanni, wirklich – sitzt Commissario Proteo Laurenti.

Er raucht und trinkt ein Glas Vitovskja vom Winzer Edi Kante, der die Weine vom Karst in den Neunzigerjahren bekannt machte.

Laurenti fehlte dort länger als ihm lieb war.

"Sein" (seit fast 20 Jahren in Triest lebender) Schriftsteller Veit Heinichen hatte nämlich einen Unfall. Ein Auto hatte ihn vom Motorroller geworfen. Die Rekonvaleszenz dauerte.

Arroganz

Wichtig ist das, dass sich der Deutsche – bzw. der "Stammitaliener" so vieler Krimileser – jetzt wieder laut ärgern kann:

"Es ist einfach schlimm, wenn weltfremde Parteihirsche ihre Wähler ignorieren oder gar Angst vor der Kommunikation mit ihnen haben und auf arrogant besserwisserische Weise mit ihrem Verhalten das Erstarken rechtspopulistischer Kräfte auch noch fördern ..."

(Auch Sturschädel Proteo Laurenti wird von Mal zu Mal grantiger.)

"... und da wird die Rolle der Literatur wieder einmal klar: Ich bin nicht zensierbar, außer durch mich selbst, sollte ich schlecht recherchieren und schlecht erzählen. Dann g’schieht’s mir grad recht. Aber niemand kann mir das Thema vorschreiben oder verlangen, keine Tabus zu berühren. Ich denke, alle meine Bücher haben gezeigt, dass man an Dingen rühren kann und rühren muss und trotzdem unterhalten kann."

(Veit Heinichen hatte z. B. früh Vorgänge um die Hypo Alpe Adria in Zusammenhang mit einem "hochkriminellen Netzwerk" gebracht. Darauf folgende Prozesse gegen ihn gewann er, den Wiener Rechtsanwalt Gerald Ganzger zur Seite, in allen Instanzen.)

Fischlager

"Die Zeitungsfrau" ist schon der neunte Laurenti-Krimi, und wie immer ist er nahezu grenzenlos.

Veit Heinichen geht es stets um Organisierte Kriminalität ("Umso tiefer ich vorstoße, desto mehr bin ich entsetzt").

Vor allem geht es ihm diesmal um Kunstraub, um die Kunstszene: In einem Zollfreilager in Porto Vecchio liegen Klimt, Modigliani, Caravaggio, Velazquez.

Das Lager gehört offiziell einem Fischverarbeitsungsbetrieb.

Niemand hat dort je kontrolliert, und so ist das in Triest, in Genf, Luxemburg, Singapur.

"Die Kunst ist Teil der Demokratie, die als unser höchster Wert verteidigt sein will."

Gern. Aber der Kunstmarkt?

Der Schriftsteller erzählt dem KURIER von einem guten Bekannten, einem hohen Carabinieri der renommierten Spezialeinheit von Kulturgütern – die weltweit und zurzeit auch im Nahen Osten im Einsatz ist:

Der Mann interessierte sich anfangs überhaupt nicht für Kunst.

Aber er folgte – dienstlich – dem Geld. Zuerst war er Ermittler im internationalen Drogenhandel, dann auch im Waffenhandel, das gehört irgendwie zusammen ... und dann, follow the money, war er nahtlos bei der Kunst gelandet.

Einerseits wegen dem Kunstraub, der nur noch selten im Auftrag besessener Sammler verübt wird.

Andererseits wegen Geldwäsche, wegen Geldbeschaffung. Heinichen: "Sowohl in Libyen, dem Irak und jetzt in Syrien finanzieren sich Terrorgruppen über den Verkauf archäologischer Schätze. Das schaffen sie nur, weil es Käufer gibt, die oft genug keine Scheichs sind, sondern im westlichen demokratischen Ausland sitzen und also diktatorische Verhältnisse mit ihrer Tat unterstützen."

Verwandlung

Nicht anders verfahre das Organisierte Verbrechen:

"Die Mafia entdeckt einen lukrativen Markt, Drogen, Waffen – oder die hochquotierte Gegenwartskunst. Ein willfährigen Netzwerk aus Händlern und Käufern wird benutzt, um illegal erwirtschaftetes Geld in Sachwerte zu verwandeln. Sobald die Kunstwerke dann verkauft werden, wird das Geld legal. Das ist übrigens nichts anderes als das, was mit der Investition in Immobilien betrieben wird ..."

Der korrupte ehemalige Finanzpolizist, der im Rollstuhl in Triest unterwegs ist und drohend seinen Harnbeutel schwingt, kann im Roman nur kurzfristig vom gierigen Europa ablenken.

Veit Heinichen:
„Die Zeitungsfrau“
Piper Verlag. 304 Seiten. 20,60 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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