Krimi-Hype: Mord ist unser Hobby

Von Schundromanen zur Hochliteratur: In Krimis geht es schon lang nicht mehr nur um die Frage: "Wer ist der Täter?"

Als Heinrich Steinfest Mitte der 1990er-Jahre seine ersten Krimis veröffentlichte, war es noch recht schlecht um dieses Genre bestellt. Geprägt von der Vergangenheit, als FBI-Agent Jerry Cotton noch als Held von Heftromanen seine Fälle löste, wagte es damals kaum ein Autor, freiwillig das Wort Krimi auf das Cover seines Buches zu schreiben.

Krimi war böse, nicht nur weil er Böses enthielt - gleichgesetzt mit Trivialliteratur in Form von Schundromanen. Wahrscheinlich hat auch Österreichs Regisseur fürs Bodenständige, Franz Antel, mit der Verwechslungskomödie "Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett" aus dem Jahr 1962 ein bisschen zur kritischen Betrachtungsweise des Genres beigetragen.

Und Bill Ramsey legte mit dem gleichnamigen Lied dann noch ein Schäuferl drauf. "Jeden Abend geht die Mimi in die Heia um halbzehn, aber niemals ohne vorher an den Bücherschrank zu geh'n. Keinen Goethe, keinen Schiller holt sie aus dem Schrank heraus, nein, einen superharten Thriller sucht sich Mimi aus." Obwohl die Bezeichnung Thriller schon als fortschrittlich galt. Der Thriller war der bessere Krimi, allein des Namens wegen. Der Thriller galt als Top, der Krimi als Flop.

Die Frage ist nicht nur "Wer ist der Mörder?"

Autor Steinfest hat sich mit Gedankenspielen dieser Art nie aufgehalten. "Ich fand es reizvoll, mich mit dem Genre auseinanderzusetzen," erinnert er sich heute. "Damals galt der Krimi zwar noch als banal und als reine Unterhaltungsliteratur, mir war aber klar, was ich wollte. Unterhaltung und Ernsthaftigkeit miteinander vermählen."

Das ist ihm gelungen, gilt der Österreicher als einer der erfolgreichsten Krimiautoren im deutschsprachigen Raum. Beim "Deutschen Krimi Preis" findet er sich regelmäßig unter den Top 3 wieder, ausgezeichnet für seine Romane um den österreichischen Detektiv chinesischer Abstammung Markus Cheng. Auch für den "Deutschen Buchpreis" war Steinfest schon nominiert. Sein Erfolgsrezept: Sich neben der Frage "Wer ist der Mörder?" zahlreiche andere zu stellen. "Es wäre ziemlich traurig, wenn das ganze Vergnügen nur daraus
bestünde, auf den letzten Seiten zu erfahren, wer der Gute und wer der Böse ist. Für mich ist der interessante Aspekt am Krimi, mir anzuschauen, was ein Mord mit den Figuren macht und wie er sie verändert."

Eine Herangehensweise, die den hochwertigen Krimi von heute auszeichnet. War früher besonders im deutschsprachige Raum vor allem Suspense-Literatur verbreitet, deren Hauptaugenmerk auf Spannung lag, ist das Spektrum mittlerweile weitaus größer. Leser können je nach Lust, Laune und Interesse zwischen Gesellschafts-, Wirtschafts-, oder Polit-Krimi wählen. Besonders beliebt sind derzeit aber vor allem sozialkritische Werke aus Skandinavien. Als Zugpferd der neuen Krimi-Elite aus dem hohen Norden gilt der Schwede Henning Mankell, Erschaffer des sympathischen und menschlichen Kommissars Wallander. Eine Rolle, gegen die nicht nur er selbst, sondern auch sein Verlag Zsolnay rebelliert. Noch heute wirbt er, wenn es um seinen Autor geht, mit dem Satz "Der Mann, der keine Kriminalromane schreibt." Und Mankell wird nicht müde in Interviews zu betonen: "Ich glaube noch immer nicht, dass ich Krimis schreibe. Ich schaue durch den Spiegel des Verbrechens auf die Gesellschaft. Dieses Prinzip verfolgt William Shakespeare in 'Macbeth' ebenso wie Joseph Conrad in 'Herz der Finsternis'. Das sind auf ihre Art auch Krimis, aber niemand bezeichnet sie so."

"Was ich mache, ist Literatur."

Kollege Jussi Adler-Olsen aus Dänemark hingegen hat kein Problem, als Krimi-Autor bezeichnet zu werden. Der Mann, der Ermittler Carl Mørck und seinem Sonderdezernat Q Leben eingehaucht hat, verriet unlängst der "Bild": "Was ich mache, ist Literatur. Ich kämpfe mit jedem Satz, den ich schreibe, um die Aufmerksamkeit meiner Leser."

Was Adler-Olsen offenbar bestens gelingt. Sein aktuelles Buch "Erlösung", in dem eine mit Blut geschriebene Nachricht in einer Flaschenpost auf die Spur zweier entführter Brüder führt, ist derzeit in unzähligen Literatur-Bestenlisten vertreten. Seit dem Erscheinen von "Schändung", dem zweiten Teil der Serie um Mørck, gilt Adler-Olsen überhaupt als bestverkaufter dänischer Krimi-Autor, der mit Interview-Anfragen und Einladungen in Fernsehshows überhäuft wird.

Der Autor ist der Star

Der Autor als Star, wie auch Recherchen des New Yorker "Forbes-Magazine" bestätigen. Mitte August veröffentlichte das Blatt eine Gehaltsliste, die ergab, dass Buchautoren mittlerweile mehr verdienen als Hollywood-Stars. Angeführt wird das Ranking von James Patterson aus Kalifornien. Er soll mit seinen in vierzig Sprachen erschienen Krimis um den Washingtoner Polizeipsychologen Alex Cross und die in San Francisco ermittelnde Polizistin Lindsay Boxer innerhalb von zwölf Monaten (bis April 2011), 58 Millionen Euro verdient haben. Damit hat Patterson im Vergleich zum Vorjahr noch einmal ordentlich zugelegt. Damals belief sich sein Verdienst "nur" auf rund 49 Millionen Euro.

Sein neuester Deal: Für 17 weitere Bücher erhält der 74-Jährige etwas mehr als 99 Millionen Euro. Freie Autoren arbeiten ihm zu, nur die Endfassung stammt dann vom Chef höchstpersönlich.

So umtriebig ist Heinrich Steinfest noch nicht. Er hält im Moment bei Buch Nummer 18. Sein jüngstes Werk "Die Haischwimmerin" ist erst vor zwei Tagen erschienen. Das Cover weist auch dieses Mal wieder unmissverständlich darauf hin, was Steinfests Leser erwartet: Ein Kriminalroman, in dem die Meisterpolizistin Lilli Steinbeck die Hauptrolle spielt. In Steinfests Vorstellung erfahren seine Leser gemütlich im Liegestuhl lümmelnd alles über die Niederungen des menschlichen Daseins. "Ich glaube generell, dass es das ist, was Menschen an diesem Genre so fasziniert. In der Fiktion können sie in eine bedrohliche Welt eintauchen, mit der man sonst nichts zu tun haben will."

7. Wiener Kriminacht

Gelegenheit zum Fürchten gibt es bei der 7. Wiener Kriminacht am 20. September. Star-Autoren wie Simon Beckett und Mary Higgins Clark werden in den Kaffeehäusern der Stadt persönlich aus ihren Büchern lesen.

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