Krach um Kracht: Absage für Buchmesse
Nach dem Wirbel um sein Buch "Imperium" geht der Schweizer Autor Christian Kracht (45) auf der Leipziger Buchmesse der Öffentlichkeit aus dem Weg. Eine am Donnerstagvormittag auf der Messe geplante Lesung aus "Imperium" wurde gestrichen. "Er hat alle Gespräche abgesagt", sagte Gaby Callenberg, Sprecherin des Verlags Kiepenheuer & Witsch. Kracht wollte lediglich am Donnerstagnachmittag eine Signierstunde geben und am Abend in der Leipziger Universitätsbibliothek Bibliotheca Albertina lesen. "Imperium" hatte eine hitzige Debatte ausgelöst, nachdem der Spiegel Kracht ein rassistisches Weltbild vorgeworfen hatte.
Mit einer Auszeichnung für die Historiker Ian Kershaw und Timothy Snyder ist Buchmesse am Mittwochabend eröffnet worden. Der Brite Kershaw (69) und der US-Historiker Snyder (42) erhielten den mit insgesamt 15.000 Euro dotierten Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung. Mit ihren Werken über den Totalitarismus in Deutschland und Osteuropa hätten beide geholfen, ein vollständigeres und angemesseneres Bild von Europa zu zeichnen, sagte der deutsche Historiker Karl Schlögel in seiner Laudatio. Die Leipziger Buchmesse ist von Donnerstag bis Sonntag für die Besucher geöffnet. Erwartet werden rund 160.000 Besucher.
Auf Deutschlands zweitgrößter Buchmesse - nach Frankfurt/Main - präsentieren sich diesmal 2.071 Verlage aus 44 Ländern. Von 15. bis 18. März werden 100.000 Bücher, davon 20.000 Neuerscheinungen präsentiert. Mit 2.071 Verlagen aus 44 Ländern gibt es heuer acht Prozent mehr Einzelaussteller als im Vorjahr - so viele wie nie zuvor. Rund 160.000 Besucher werden erwartet, davon rund 3.000 Journalisten und 2.780 Autoren, von denen viele an Europas größtem Lesefest "Leipzig liest" teilnehmen. Lesungen gibt es unter anderem von Martin Walser, Erich Loest und Friedrich Christian Delius. Mit Spannung wird in Leipzig auch der Auftritt des Schweizer Schriftstellers Christian Kracht erwartet, der seinen umstrittenen Roman "Imperium" am Donnerstag erstmals in Deutschland vorstellen will. Der Spiegel hatte dem Autor eine "rassistische Weltsicht" vorgeworfen.
Historiker Kershaw warnte am Mittwochabend im Leipziger Gewandhaus vor einer Rückkehr engerer nationalstaatlicher Interessen in Europa. "Das wäre eine eindeutig rückläufige Entwicklung. Eine Zunahme von negativen Stereotypen, von Ausländerfeindlichkeit und auch von Rassenhass wäre zweifelsohne die Folge davon." Europa stecke derzeit in einer Krise, erklärte Kershaw, wagte aber eine optimistische Prognose. "Die schon erzielte europäische Verständigung bröckelt zwar im Augenblick. Aber sie wird nicht verschwinden und sich auf die Dauer wohl sogar weiter vertiefen."
Digitalisierung großes Thema
Eines der großen Themen auf der Leipziger Buchmesse verspricht die Digitalisierung zu werden. Nach zaghaften Anfängen wächst der E-Book-Markt in Deutschland inzwischen mit Macht. Während das Geschäft des stationären Buchhandels im Jahr 2011 um drei Prozent schrumpfte, seien im E-Book-Bereich erstmals nennenswerte Umsätze erzielt worden, sagte Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. "Wir sind angekommen in einem E-Book-Markt." Die Dynamik sei riesig. Der Buchhandel habe Geschäftsmodelle entwickelt, um darauf zu reagieren.
Die Leipziger Buchmesse gilt als erster Stimmungstest der Branche. Messe-Geschäftsführer Martin Buhl-Wagner sagte, es gebe in diesem Jahr deutlich mehr Einzelaussteller als 2011. Zahlreiche kleinere Verlage hätten sich für einen eigenen Messe-Auftritt anstelle eines Gemeinschaftsstandes entschieden. Die Ausstellungsfläche sei um drei Prozent auf 69.000 Quadratmeter gewachsen.
160.000 Besucher erwartet
Als außergewöhnliche Schauplätze von Lesungen sind das Clownmuseum, Treppenhäuser, ein Fischladen oder die riesige Tropenhalle "Gondwanaland" im Leipziger Zoo vorgesehen. Darüber hinaus präsentiert das Lesefest in diesem Jahr digitale Lesepremieren, bei denen Autoren Kurzgeschichten auf dem Smartphone lesen oder auf das soziale Netzwerk Twitter zurückgreifen.
Ein Programmschwerpunkt liegt auf der vom Österreicher Martin Pollack kuratierten Themenschiene "tranzyt" und damit auf Literatur aus Polen, der Ukraine und Weißrussland. Dazu werden unter anderen Andrzej Stasiuk, Swetlana Alexijewitsch und Juri Andruchowytsch erwartet.
Am Donnerstagnachmittag wird der mit insgesamt 45.000 Euro dotierte Preis der Leipziger Buchmesse verliehen. In der Kategorie Belletristik sind Anna Katharina Hahn ("Am Schwarzen Berg"), Thomas von Steinaecker ("Das Jahr, in dem ich aufhörte, mir Sorgen zu machen, und anfing zu träumen"), Sherko Fatah ("Ein weißes Land"), Jens Sparschuh ("Im Kasten") und Wolfgang Herrndorf ("Sand") nominiert. Herrndorf ist der Publikumsfavorit, er erhielt in einem Online-Voting die meisten Stimmen. 2011 war der Österreicher Clemens J. Setz der Belletristik-Preisträger. Zum ersten Mal wird die Verleihung per Livestream übertragen.
Für den Bereich Sachbuch dürfen sich Jörg Baberowski ("Verbrannte Erde"), Carolin Emcke ("Wie wir begehren"), Manfred Geier ("Aufklärung"), Lothar Müller ("Weiße Magie") und Wilfried F. Schoeller ("Alfred Döblin") Hoffnungen machen, in der Kategorie Übersetzung sind Nikolaus Stingl, Christina Viragh, Caroline Vollmann, Hans Pleschinski und Thomas Frahm (für seine im Deuticke Verlag erschienene Übersetzung aus dem Bulgarischen von Vladimir Zarevs "Feuerköpfe") nominiert.
188 Verlage aus Österreich
Die Leipziger Buchmesse gewinnt für österreichische Verlage immer mehr an Bedeutung. Mit 188 Ausstellern sind heuer um 17 heimische Verlage mehr vertreten als im Vorjahr (und um 65 mehr als 2010). 21 davon sind am Gemeinschaftsstand des Hauptverbandes vertreten. Bei der von 15. bis 18. März stattfindenden Messe gibt es auch wieder ein "Österreich-Kaffeehaus", in dem bei 27 Veranstaltungen u.a. Monika Helfer, Kurt Palm, Oksana Sabuschko, Bettina Balaka, Mieze Meduza und Stefan Slupetzky lesen werden.
Die IG Autorinnen Autoren zeigt rund 500 seit Herbst 2011 produzierte Neuerscheinungen von rund 130 österreichischen Verlagen, gibt der Diskussion des Urheberrechtsabkommens ACTA und der Urheberrechtsinitiative "Kunst hat Recht" Raum und betreibt auch heuer wieder gemeinsam mit den österreichischen Lokalradios das Messeradioprogramm "literadio". Zahlreiche österreichische Autoren und Autorinnen sind auch im Programm von "Leipzig liest" vertreten.
Bisherige Preisträger in Leipzig
Der Preis der Leipziger Buchmesse wird zum achten Mal verliehen. Die bisherigen Preisträger in der Kategorie Belletristik sind Terezia Mora ("Alle Tage", 2005), Ilija Trojanow ("Der Weltensammler", 2006), Ingo Schulze ("Handy", 2007), Clemens Meyer ("Die Nacht, die Lichter", 2008), Sibylle Lewitscharoff ("Apostoloff", 2009), Georg Klein ("Roman unserer Kindheit", 2010) und Clemens J. Setz ("Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes", 2011).
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