Kondom gesucht – und eine Milliarde Dollar gefunden

Mag Twitter nicht, mag Facebook nicht und findet das Internet böse und idiotisch: Jonathan Franzen, geboren 1959 bei Chicago.
Ab heute haben die Buchhandlungen "Unschuld" : Der Roman ist wild, sogar lustig.

Soll man "Unschuld" kaufen? Ja. Weil es der neue Roman von Jonathan Franzen ist. Weil Franzen nicht "nur" für Philip Roth der Beste in der Generation nach ihm ist.

Und weil er diesmal locker geschrieben hat, lustig manchmal, und wieder Bilder produziert, die eigentlich im Museum aufgehängt gehören – z. B.: Eine junge Frau sucht ein Kondom und findet ihren Vater sowie eine Milliarde Dollar.

Na gut, für die Wand ist dieses Bild zu groß, " Unschuld" steuert ja von Kalifornien bis in den Dschungel und in die DDR. Es ist ein großflächiges Buch. Deshalb meinen einige US-Kritiker, der 56-Jährige habe zu viel sagen wollen und deshalb gar nichts zusammengebracht.

Das ist unfair. Franzen schlägt bloß überraschende Wege ein, auch Umwege und wilde Hohlwege. Dass er damit "auf dem Holzweg" ist, werden aber wohl nur diejenigen behaupten, die ein drittes Mal "Die Korrekturen" von ihm lesen wollen.

Mit Sprengkopf

Von dem Roman, der Jonathan Franzen weltberühmt machte, wurden drei Millionen Exemplare verkauft. Vor fünf Jahren kam dann "Freiheit" (zwei Millionen Mal verkauft) – das war die korrigierte Version der "Korrekturen", wieder über eine "normale Familie, mit Weitwinkelobjektiv abgelichtet. Man würde ihn auch bestimmt für die korrigierte Version der korrigierten Version lieben.

Aber "Unschuld" ist anders. Ungestümer. Auch holprig. Ein thermonuklearer Sprengkopf wird entführt, auch das noch. Um besseren Sex zu haben ...

"Unschuld" ist ein Roman übers Internet. Übers böse, idiotische Internet. Franzen mag Vögel, und das Netz hasst er. Das Internet – schreibt er – ist die DDR von heute. (Wobei er die DDR als "Republik des schlechten Geschmacks" beschreibt.)

Franzen mag auch keine Whistleblower, und der Typ à la Assange, der sich so sauber gibt und bloßstellt, der hat seinerzeit einen Mord begangen. Dicht ist er nicht.

"Unschuld" ist ein Roman über die Zeitung und Verbeugung vor "richtigen" Journalisten. Franzen schätzt, wie wichtig Profis für die Demokratie sind und durch Internet-Amateure nicht zu ersetzen.

Kondom gesucht – und eine Milliarde Dollar gefunden
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"Unschuld" ist der Bildungsroman der 22-jährigen Pip, die große Erwartungen hat. Zumindest würde sie gern wissen, wer ihr Vater ist. Pip weiß ja nicht einmal, wie ihre Mutter heißt. Alles wird sie erfahren – sie muss sich nur auf die Kondom-Suche machen (in ihrem Kämmerchen wartet ein Mathematikstudent, er wird sehr lange auf sie warten müssen).

Info: Jonathan Franzen: „Unschuld“. Übersetzt von Bettina Abarbanell und Eike Schönfeld. Rowohlt Verlag. 830 Seiten. 27,80 Euro.

KURIER-Wertung:

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