Seine Musik ist alles andere als Grau in Grau, im besten Wortsinne oder besser Tonsinne das absolute Gegenteil davon. Sie macht Spaß, sie unterhält, sie swingt, ohne Swing zu sein, sie jazzt, ohne Jazz zu sein, sie besticht mit ihrer eigentümlichen Pracht und prunkt mit Pointen.
Simon Rattle brachte mit dem Royal Liverpool Philharmonic Orchestra Grubers Oper „Frankenstein!!“ 1978 zur Uraufführung. Die Vertonung der Gedichte von H. C. Artmann verschaffte ihm einen Welterfolg. Am 17. März ist die Ensemble-Fassung beim Festival Imago Dei in Krems, das den Jubilar mit einem eigenen Abend ehrt, zu hören.
Gottfried von Einem war sein Lehrer, bei Strawinsky hatte er sein „Erweckungserlebnis“. Finanziert hat sich Gruber stets selbst. Erst als Kontrabassist bei den Tonkünstlern, dann beim ORF-Symphonieorchester, dem heutigen RSO.
„Ein Spitzenorchester. Die Präzision, die man von diesem Orchester hört, wenn es um Neue Musik geht, hört man bei keinem sonst. Die können alles spielen von Mozart bis Neuwirth“, lobt er die Qualitäten dieses Klangkörpers. „Das RSO trägt den Namen des ORF in die Welt. Dass es jetzt keinen Intendanten mehr gibt, ist eine gefährliche Entwicklung“, merkt er an. Gruber kennt den Konzertbetrieb auch als weltweit viel gefragter Dirigent.
Corona: "Zwei Saisonen waren weg"
Doch dann kam das Virus in die Quere. „Zwei Saisonen waren weg“, kommentiert Gruber seine Verluste. In den USA wurden Konzerte nachgeholt, deprimierend aber der Blick auf den Konzert-Betrieb in Europa. „Viele Veranstalter ließen die Gegenwartsmusik wie eine heiße Kartoffel fallen“, konstatiert er.
„Wien modern“, das Festival für zeitgenössische Musik, „war so gut besucht, wie schon sehr lange nicht. Das zeigt, die Neugierde des Publikums ist vorhanden, aber die Risikobereitschaft der Veranstalter fehlt und auch der Respekt vor kreativen Leuten, sprich Komponistinnen und Komponisten“, setzt er fort. Und liefert die Lösung zur Wiederbelebung des Konzertbetriebs gleich nach: „Ich verstehe nicht, warum die Veranstalter nicht auf die Idee kommen, die Proben zusätzlich zum Konzert zu verkaufen. Da kann das Publikum lernen, wie ein Klang zum Klang wird. Was ist das doch für ein Vergnügen, ein gut geprobtes Stück zu verfolgen und Details zu erkennen, die man vorher wie unter dem Mikroskop gehört hat.“
Dass sich Formate, in denen Musik erklärt wird, bewähren, weiß er aus Erfahrung. „Als Matthias Naske Jeunesse-Chef war, haben wir Musikvermittlung angeboten“, blickt er zurück. „Das wäre die Rettung der Musik schlechthin, nicht nur der Neuen Musik“.
Das Gespräch wendet sich außermusikalischen Trends zu, konkret der politischen Korrektheit. Kann er in einer Zeit, in der das N-Wort sogar in Klassikern der Weltliteratur getilgt wird, Stücke wie Hanns Eislers „Ballade vom Nigger Jim“ weiter aufführen? Politische Korrektheit sei ihm egal, sagt er.
Dennoch spürte er die Auswirkungen direkt. Als Capriccio seine Eisler-Balladen neu auf CD veröffentlicht hat, sang er diese Ballade in New York nicht. Die Rassismus-Kritik und die Relevanz für die #Blacklivesmatter-Bewegung indes hat das Publikum in Santa Fe verstanden, sagt Gruber.
Er kommt auf die Diskussionen über Aufführungsverbote russischer Musik in manchen Ländern zu sprechen. „Man muss zwischen russischer Kultur und Gegenwartspolitik unterscheiden“, sagt er. Ihm würde nie einfallen, russische Künstler zu verurteilen, aber man solle sich genau ansehen, mit wem man es zu tun hat. „Wir sollten uns aber mit der russischen Gesellschaft verbinden, denn man kann nur auf die Psyche eines Volkes Einfluss nehmen, indem man Erfahrungen austauscht und den Leuten Informationen zukommen lässt, die sie nicht bekommen. Auch in Sowjet-Zeiten haben wir viele sowjetische Komponisten aufgenommen, ohne zu fragen, ob sie Stalinisten sind. Arvo Pärt wurde in der Wiener Gesellschaft integriert, Alfred Schnittke und Sofia Gubaidulina in die Westdeutsche. Man muss jenen, die in Russland nicht mehr leben können, helfen“, sprach’s und wandte sich wieder seiner Kunst zu.
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