Klimt-Rekord zeigt: Top-Kunstmarkt leidet an Angebot, nicht an Nachfrage

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Dank erstklassiger Sammlungen konnten in New York Rekordsummen umgesetzt werden. Die Auktion eines Klos war dagegen ein Griff in dasselbe.

„Schön, so schön! Schön, sooo schööön! So was hat man lange nicht geseh‘n, so schön, so schön!“ 

Die Freudengesänge der Fußballfans über die WM-Qualifikation des österreichischen Teams am Dienstagabend waren kaum verhallt, da wurde für fünf Österreicher in den USA bereits ein Spiel der Weltspitzenklasse angepfiffen.

Im Auktionssaal des Breuer-Gebäudes an der New Yorker Madison Avenue, dem neuen Hauptquartier des Auktionsriesen Sotheby’s, standen fünf Werke von Gustav Klimt - drei Gemälde und zwei Zeichnungen aus dem Besitz des im Juni verstorbenen Kosmetik-Tycoons Leonard Lauder - zum Verkauf. Und als der Hammer für das schönste, das „Porträt Elisabeth Lederer“ von 1914/’16, nach einem 20-minütigen Bietergefecht bei 205 Millionen US-Dollar fiel, wurde im Saal zwar kein Schlachtgesang angestimmt (obwohl er passend gewesen wäre), aber doch heftig applaudiert. 

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Inklusive Prämien beläuft sich der Preis für das Klimt-Hauptwerk auf 236,36 Millionen US-$ (203,93 Mio. Euro). Es ist das zweitteuerste je bei einer Auktion verkaufte Bild (nur der 2017 um 450 Millionen verkaufte, Leonardo da Vinci zugeschriebene „Salvator Mundi“ erzielte einen höheren Erlös), das teuerste je auktionierte moderne Kunstwerk – und ein neuer Auktionsrekord für ein Klimt-Werk, der den bisherigen (85,3 Millionen Pfund oder 108,7 Millionen US-$ erzielte 2023 das Porträt „Dame mit Fächer“) mehr als verdoppelte:

 Nicht der teuerste Klimt

Das teuerste Klimt-Bild aller Zeiten ist das „Porträt Elisabeth Lederer“ nicht, sofern der kolportierte Preis, den das Gemälde „Wasserschlangen II“ 2013 in einem Privatverkauf erzielte, stimmt und die Inflation mit einbezogen wird: Der Kunstberater Yves Bouvier, der das Bild von der Witwe des Regisseurs Gustav Ucicky erworben hatte (die mit dem Geld die Wiener „Klimt Foundation“ gründete), soll das Bild damals mit einem heftigen Aufpreis um 183 Millionen an den Oligarchen Dmitry Rybolowlew weitergegeben haben.

 In heutigen Dollars betrüge der Preis der „Wasserschlangen“ damit rund 258 Millionen US-$. 

Die aus dem Belvedere restituierte „Goldene Adele“, für die Leonard Lauders Bruder Ronald Lauder 2006 in einem Privatverkauf kolportierte 135 Millionen US-$ zahlte, wäre nach heutigem Maßstab rund 217 Millionen US-$ wert.

Substanz vor Show-Effekten

Dass nun solche Summen in den New Yorker Herbstauktionen fließen konnten, hatte ganz maßgeblich mit Sammlern vom Kaliber der Lauders zu tun: Denn nur durch das Ableben dieses Mäzens der Alten Schule kam das Schöne, das man lange nicht gesehen hatte, überhaupt auf den Markt. 

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Neben dem „Porträt Elisabeth Lederer“ erzielte das Gemälde „Blumenwiese“ mit Aufpreis 86 Millionen. „Waldabhang in Unterach am Attersee“, das auf 70 Mio. Dollar geschätzt worden war, erzielte 70,76 Millionen US-$; dazu kamen weitere Top-Preise für eine Zeichnung von Vincent van Gogh, ein Gemälde von Edvard Munch und Skulpturen von Henri Matisse. Vieles ging über den Schätzwert, beim Klimt-Porträt lieferten sich insgesamt sechs Bieter ein Match.

Bildnis Elisabeth Lederer

Insgesamt erzielte allein der erste Teil der Lauder-Sammlung – ein weiterer Teil wird am Mittwoch versteigert – 527 Millionen US-$, der Gesamtumsatz des Abends belief sich auf $706 Millionen US-$. Tags zuvor hatte Christie’s bei seiner Auktion 690 Millionen US-$ umgesetzt. 

Ist die Krise jetzt vorbei?

All das deutet darauf hin, dass das Potenzial sehr reicher Personen, die Geld für Kunst ausgeben können und wollen, durchaus vorhanden ist und dass die zuletzt spürbare Krise im Hochpreis-Kunstmarkt zu einem großen Teil weniger durch einen Mangel an Nachfrage, sondern durch ein schütteres Angebot bedingt war. 

Die Verunsicherung war vor der Auktion durchaus groß gewesen – bis zum letzten Moment sollen sich Sotheby’s-Mitarbeiter bemüht haben, Käufer und Investoren zu finden, die für die eingebrachten Lose Kaufsummen garantierten, so dass kein Los bei der Auktion „durchfiel“. Das Auktionshaus war seinerseits zuvor ein großes Risiko eingegangen und hatte den Lauder-Erben eine hohe Summe garantiert, um sich die Sammlung zu sichern. 

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Weiße Handschuhe und ein Griff ins Klo

Am Ende wurde es ein so genannter „White-Glove Sale“, ein Verkauf mit weißen Handschuhen, was im Auktionsjargon bedeutet, dass alle Lose der Lauder-Sammlung verkauft wurden und kein Rohrkrepierer das Ergebnis beschmutzte. 

Demgegenüber erwies sich die Auktion des Goldenen Klos von Maurizio Cattelan („America“) als Griff in ein ebensolches: Das medial extrem präsente Werk (offizieller Titel: „America“) wurde zu seinem Materialwert in Gold (10 Millionen US-$) ausgerufen und um ebendiesen auch zugeschlagen. Mit Aufgeld ergab sich ein Preis von 12 Millionen, der Käufer soll eine „prominente amerikanische Marke“ sein. 

Sotheby’s new headquarters in Manhattan in New York City

Das ernüchternde Ergebnis - es folgte auf die ebenfalls heiß diskutierte Versteigerung einer Banane im Vorjahr – offenbarte letztlich den Zweck solcher Aktionen: Mithilfe eines Hypes und einer begeisterungsfähigen Gemeinde, die oft mit Kryptowährungen reich geworden war, suchte das Auktionshaus von der Knappheit an substanzvollen Angeboten abzulenken. 

Am Dienstagabend zeigte aber, dass die Kunstkennerschaft alter Schule noch immer für die wirklich großen Umsätze sorgt. Sammler wie Leonard Lauder wachsen allerdings nicht nach: Man wird so schöne Werke wie „Elisabeth Lederer“ möglicherweise lange nicht mehr am Markt sehen. 

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