Diese Dringlichkeit verpackt die Vienna Biennale in positiv aufgeladene Begriffe: nicht „Krise“, sondern Sorge ums Klima („Climate Care“), Planetenheilung („Planet Healing“), sogar Planetenliebe („Planet Love“). Ist das Teil des Umdenkens?
Ich glaube, dass man mit positiven Bildern viel mehr erreicht als mit Warnungen. Es muss eine Liebesbeziehung zum Planeten geben, aus der die Menschen etwas zurückempfangen können. Aber es muss auch klar sein, in welche Richtung es derzeit geht. Denn die Änderung der Geisteshaltung hat zwei Seiten: Einerseits den Fürsorge-Gedanken, und auf der anderen Seite hat die Menschheit hier etwas verbrochen – das muss man ganz brutal sagen –, das sie nun heilen muss.
Dieses Heilen des Planeten ist aber kein einfaches „Zurück zur Natur“?
Es gibt kein „Zurück zur Natur“ in dem Sinn, dass sich Technologie einfach wegzaubern lässt. Das Bewältigen dieser Krise kann nur im Einklang mit Technologie erfolgen. Wobei gerade das Digitale einen enormen ökologischen Fußabdruck hat. Man muss sehr viel genauer überlegen, wofür man es einsetzt. Da gibt es noch ungeahnte Möglichkeiten, da müssen wir viel kreativer und innovativer sein. Aber man muss auch fragen: Wie viel Digitalisierung brauche ich wirklich für ein gutes Leben?
Wird das bei der Biennale beantwortet?
Ein zentrales Motto ist: Von Smart zu Care. Wir wollen viele konkrete Ideen vorstellen und noch mehr Denkräume eröffnen. Etwa bei den weltweiten Transportwegen. Hier könnte man enorme Verbesserungen erzielen, wenn man diese digital für den Konsumenten nachvollziehbar macht. Welches Unternehmen engagiert sich lokal? Welches ist nur ein Trittbrettfahrer und täuscht Engagement vor? Was sind die Umweltkosten, die unbedingt einberechnet gehören? Wer hat Lieferketten um die halbe Welt, nur um minimale Kostenvorteile zu erzielen?
Vor der Pandemie sprach man gerne davon, dass die Stadt die Zukunft ist. Das ist jetzt ordentlich unter Druck geraten, die Reichen verlassen die Städte, die in der Klimakrise besonders leiden werden. Ist das Bild von der Stadt ein anderes?
Die Geschichte der Städte geht weiter, aber sie müssen viel besser werden. Man muss ländliche Qualitäten in die Stadt bringen, und urbane Qualitäten in den ländlichen Raum. Gerade in der Klimakrise muss man sich für die Stadt überlegen, wo und wie man für Kühlung sorgen kann, damit diese sich nicht weiter so stark anheizen. Das ist eine Aufgabe für die Zukunft. Man hat gerade gesehen, wie leicht eine Pandemie entsteht. Plötzlich liegt die Welt lahm. Wir werden uns auf diese Dinge einstellen müssen, nicht immer so radikal, aber doch. Und schauen, wie wir trotzdem Lebensqualitäten auch in den Städten haben. Wir schauen uns bei der Biennale sehr spezifisch an: Was bedeutet das für einen Bezirk wie Wien-Favoriten? Wo gibt es Potenziale, die man nutzen muss, um die urbane Qualität zu erhöhen? Und welche Entwicklungen gehen in die falsche Richtung? Es geht auch darum, die Transformation voranzutreiben.
Veränderungen sind nicht immer leicht, wie kann man denn die beginnen?
Es muss einiges von oben – Top-Down – kommen. Es ist ein Glücksfall, dass die EU-Kommissionspräsidentin neben der Digitalisierung den Klimaschutz so zentral für ihre Agenda sieht. Und manche Städte – da sollte Wien unbedingt dabei sein – werden sich als Vorreiter positionieren wollen. Aber es braucht Mikrorevolutionen von unten.
Welche könnten das zum Beispiel sein?
Zum Beispiel etwas, das für viele einen Verzicht bedeutet – aber zugleich einen Zugewinn an Lebensqualität mit sich bringt: die Umstellung auf pflanzenbasierte Ernährung. Damit leiste ich als Einzelperson einen ungeheuren Beitrag, der sich auf die Systeme auswirkt, eine Umstellung der Landwirtschaft mit herbeiführt und bis zur eigenen Gesundheit positive Auswirkungen hat. Das heißt nicht, dass ich nie ein Schnitzel essen darf. Aber sicher nicht jeden Tag, vielleicht auch nicht jede Woche, sondern jede zweite. Das erfordert eine gewaltige Umstellung. Aber es geht. Und es kann auch eine neue Qualität hervorbringen: Dass man das, was man nur selten tun sollte, für ganz spezielle Momente reserviert. Und dann ganz anders erlebt.
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