Klaus Maria Brandauer: „Wenn ein Abend hinhaut: Ja, das freut mich!“
![Klaus Maria Brandauer Klaus Maria Brandauer würde gerne den bestialischen Krieg abschaffen: "Das geht im Theater ganz locker, aber leider nur für ein paar Stunden."](https://image.kurier.at/images/cfs_landscape_616w_347h/7886937/46-195821121.jpg)
Klaus Maria Brandauer würde gerne den bestialischen Krieg abschaffen: "Das geht im Theater ganz locker, aber leider nur für ein paar Stunden."
Klaus Maria Brandauer hat blendende Laune beim Interview im Café Landtmann. Und er liebt das Spiel: „Warten Sie noch ein bisschen!“, sagt er grinsend.
![Klaus Maria Brandauer Klaus Maria Brandauer](https://image.kurier.at/images/cfs_616w/7886949/46-196336000.jpg)
KURIER: Sie sind seit 1972 Ensemblemitglied des Burgtheaters. In unserem letzten Interview fragte ich Sie: „Wie wollen Sie Ihr 50-Jahr-Jubiläum feiern?“ Und Sie antworteten: „Das weiß ich nicht. Ich will es erleben.“
Klaus Maria Brandauer: Das war doch eine vernünftige Antwort!
Und wie haben Sie es erlebt?
Es ist einfach vorübergegangen. Aber jetzt kommt ja der 80. Geburtstag.
Sie sagten auch: „Es ist mein innigster Wunsch, wieder zu spielen.“ Aber Sie haben nicht in der Burg gespielt.
Na, warten Sie noch ein bisschen!
Sie hätten in „Geschlossene Gesellschaft“ den Joseph Garcin verkörpern sollen.
Ja, war geplant. Kam aber nicht zustande. Sie können sicher sein: Ich werde wieder im Burgtheater auftreten!
In einer Rolle? Oder „nur“ mit einer Rezitation?
Aber das mach’ ich doch auch ganz gut, oder?
Definitiv. Sie füllen mit Ihrem neuen Programm die größten Säle. Es hat einen komplizierten Titel: „Fast ein Hamlet mein Mephisto ein Ödipus für Jedermann“. Sie spielen damit auf Rollen an, die Sie gestaltet haben.
Wir brauchten etwas für die Plakate. Und dann hab’ ich einfach so dahingesagt: „Fast ein Hamlet mein Mephisto …“ Das hat allen gefallen. Da ist doch für jeden was dabei, oder? Aber das bedeutet nicht, dass ich aus diesen Stücken lese. Man muss sich alles offenhalten. Ich trage nicht immer das Gleiche vor, das Programm variiert.
Sie lesen viel Dostojewski.
Er ist dazugekommen aufgrund des Krieges. Seit ich lebe und denke, gibt es immer Krieg: Korea, Vietnam, Afghanistan … Ich bin unglücklich darüber, aber habe null Einfluss. Wir sind eine martialische Gesellschaft – und bringen uns seit ewigen Zeiten gegenseitig um. Manchmal netter, manchmal bestialisch. Und ich weiß nicht, wie man darüber reden soll. Außer dass wir uns versprechen: „Wir schaffen das ab!“ Das geht im Theater ganz locker, aber leider nur für ein paar Stunden.
In der Regel sagen Sie am Ende: „Es gibt nichts Gutes …“ – und das Publikum antwortet: „Außer: Man tut es!“
Ich finde den Satz von Erich Kästner einfach großartig. Manchmal braucht es keine philosophischen Werke.
Sie sagen aber nie, aus welchen Werken Sie vortragen.
Muss ich? Wichtig ist nur: Dass keiner weggeht.
Am 3. Juni treten Sie im Großen Festspielhaus von Salzburg auf. Und sonst?
Davor, ab 21. Mai, bin ich mit dem Mozarteumorchester unterwegs: München, Basel, Frankfurt, Stuttgart und Dresden. Mit Felix Mendelssohn Bartholdys Musik zu „Ein Sommernachtstraum“. Am 1. Juli bin ich mit der Camerata Salzburg bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern – mit „Egmont“. Und ja: 80 zu werden, ist gar nicht selbstverständlich. Den Geburtstag im Burgtheater zu feiern, freut mich daher ganz besonders – mit „Minetti“ von Thomas Bernhard.
Ein alter Schauspieler wartet in einer Hotelhalle auf den Theaterdirektor, doch der lässt ihn sitzen. Seine Paraderolle war einst der König Lear gewesen. Am Schluss sitzt Minetti eingeschneit am Strand auf einer Bank. Das ist nicht unbedingt ein fröhliches Geburtstagsständchen.
Ich kann ohnedies nicht singen.
![König Lear, William Shakespeare, Burgtheater Klaus Maria Brandauer: „Wenn ein Abend hinhaut: Ja, das freut mich!“](https://image.kurier.at/images/cfs_616w/7886946/46-59204899.jpg)
Seine vorerst letzte Rolle am Burgtheater: KMB als König Lear - mit Pauline Knopf als Cordelia (2013)
Der Lear war Ihre letzte Rolle am Burgtheater – vor zehn Jahren in Peter Steins Regie.
Das stimmt so nicht! Die Premiere war 2013, aber die Produktion lief etliche Jahre!
Sie wurden am 22. Juni 1943 geboren – als Klaus Georg Steng. Denn Ihr Vater hieß Georg Steng. Aber Sie nahmen den Namen Ihrer Mutter, eben Maria Brandauer, an. Warum eigentlich?
In Altaussee hat mich keiner „Steng“ gerufen, ich war der „Brandauer Klausi“. Und irgendwie bin ich das geblieben. Als es dann zum Theater ging, dachte ich mir, dass ich den Namen behalten will. Dem Vati hat das aber nicht wehgetan.
Wie kamen Sie zum Theater?
In der Volksschule in Grenzach – bei Basel, aber auf der deutschen Seite – durfte ich den Struwwelpeter spielen. Und die Frau Buchmüller, unsere Lehrerin, sagte zu meinem Vater im alemannischen Dialekt: „Herr Steng, Ihr Sohn wird amal a Schauspieler!“ Das hab’ ich noch heute in den Ohren! Und sie hatte recht.
1962 besuchten Sie die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Das Studium haben Sie aber bereits nach zwei Semestern abgebrochen.
Durch Zufall kam der Intendant von Tübingen, um Leute vorsprechen zu lassen. Und er holte mich. Das war ganz gut, denn meine Freundin, die Karin, bekam ein Kind. Und ich wollte die Familie ernähren.
Wenig später ging es nach Salzburg, dann nach Wien zunächst in die Josefstadt.
Das ist sehr schnell gegangen. Und nicht der Normalfall. Ich bin dankbar dafür.
Ihrer Heimat blieben Sie aber immer verbunden.
Ich bin auch heute sehr, sehr gerne in Altaussee: der Loser, die Trisselwand, der See … In „Out of Africa“ hab’ ich meine Heimat hineingebracht. Denn ich hatte zu den Dreharbeiten einen Steirerhut mitgenommen. Und der taucht im Film auf.
Weltberühmt wurden Sie als Hendrik Höfgen in „Mephisto“ von István Szabó – 1981.
Wir waren damals bei den Dreharbeiten in Ungarn. Russen, Deutsche aus der DDR und aus der BRD, Schweizer, Polen ... Es gab kein Geld, aber viel Zeit. Wir haben so viel von den anderen Ländern erfahren! Und wir haben erkannt, dass wir gut miteinander können. Das Zusammenleben war so leicht! So etwas ist mir nie wieder passiert.
„Mephisto“ erhielt den Oscar als bester fremdsprachiger Film. Hat er Ihnen den Weg nach Hollywood geebnet?
![Mephisto Klaus Maria Brandauer: „Wenn ein Abend hinhaut: Ja, das freut mich!“](https://image.kurier.at/images/cfs_616w/7886943/46-69933102.jpg)
Mit "Mephisto" (1981) gelang KMB der internationale Durchbruch
Der Erfolg hatte sich schon in Cannes abgezeichnet. István Szabó kam damals nicht aus Ungarn raus, und so wurde ich in Amerika bei den Terminen herumgereicht.
Sie haben danach zwei weitere Filme mit Szabó gemacht, 1985 „Oberst Redl“ und 1988 „Hanussen“. Auch sie erhielten Oscar-Nominierungen. Im Fernsehen sind sie so gut wie nie zu sehen. Andauernd läuft hingegen der James-Bond-Film „Sag niemals nie“ aus 1983.
Das Angebot fand ich damals eine Unverschämtheit: Wir kommen mit einem derart tollen Film nach Amerika – und dann wird mir so eine Operette angeboten. Ich sagte: „Das mach ich nicht!“ Irvin Kershner, der Regisseur, rief mich an – und ich lehnte ab. Eines Tages rief auch Sean Connery an: „Come on, Klaus, let’s make it! We will get a lot of money – and we will have a lot of fun.“ Dieses künstlerische Argument hat mich überzeugt. Auch wenn er wahrscheinlich hundertmal mehr verdient hat.
Kim Basinger als Largos Geliebte war kein Argument?
Oh, ja, schon auch! Ihr Mann war Maskenbildner, er hat sie immer bevorzugt behandelt. Und dann mussten wir auf dem Schiff diese Kussszene drehen. Sie hat Spaß gemacht. Aber dass es einen derart langen Speichelfaden von ihrem zu meinem Mund gibt: Das hätte ich nicht gedacht. Das darf doch nicht wahr sein! Wir dachten, dass er herausgeschnitten würde. Wurde aber nicht.
![NEVER SAY NEVER AGAIN, from left, Kim Basinger, Klaus Maria Brandauer, 1983, Warner Brothers/courtesy Everett Collection Klaus Maria Brandauer: „Wenn ein Abend hinhaut: Ja, das freut mich!“](https://image.kurier.at/images/cfs_616w/7886940/46-196371757.jpg)
KMB und Kim Basinger - im James-Bond-Film "Sag niemals nie" (1983)
Mit Connery haben Sie danach auch „Das Russland-Haus“ gedreht.
Wir wurden Freunde, ich hab’ ihn sehr geschätzt. Stundenlang sind wir durch das damalige Leningrad gelaufen und haben geredet. Er hat mich dann später in Altaussee besucht und war bei den Festspielen in einer „Jedermann-Vorstellung.
Ärgern Sie sich noch heute, dass Sie bei der „Operette“ mitgewirkt haben?
Aber nein, ich bin saufroh, dass ich es gemacht habe!
Und wie soll es weitergehen?
Wir wissen, dass wir nicht ewig leben. Auch wenn wir es uns wünschen. Das Gedächtnis lässt ein bisschen nach, aber ich trete weiterhin gerne auf. Nichts bereichert mich mehr, als wenn ich weiß, dass ich am Abend auftrete. Von der Früh an denke ich: Hoffentlich bin ich gut! Hoffentlich passiert nichts! Auch wenn ich das schon so lang mache: Es gibt keine Routine.
Auch mit 80 hat man Lampenfieber?
Natürlich! Also ich jedenfalls. Kein Abend ist wie der andere. Und dann geht es darum, das Publikum zu einen. Wenn ein Abend hinhaut: Ja, das freut mich. Und das möchte ich, so oft es eben noch geht, erleben. Aber mir wird niemand sagen müssen, wann ich aufhören soll. Ich weiß es selber. Ganz sicher!
Und wenn Sie einmal gestorben sein sollten: Wollen Sie ums Burgtheater getragen werden?
Ich habe es bis heute geschafft, in keinem Interview über meinen künftigen Tod zu sprechen. Das ist also jetzt eine Uraufführung. Ich bin oft mitgegangen hinter dem Sarg. Ja, auch ich lasse mich herumtragen. Irgendwann einmal. Und dann – schwuppdiwupp – auf den Friedhof von Altaussee!
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