Den meisten Menschen fällt dieses Ausmisten aber schwer. Wie geht es Ihnen damit?
Mir fällt es auch schwer. Deshalb wäre ich dafür, dass man jeden Gegenstand mit dem WLAN verbinden kann, damit er sich – wenn man ihn drei Jahre nicht benutzt hat – selbst verkauft, über Willhaben zum Beispiel. Aber auch dann, wenn wir etwas nie brauchen, stellt sich beim Aussortieren ein Trennungsschmerz ein. Es ähnelt einem Abschied. Und das Abschiednehmen fällt uns schwer – sogar im Urlaub, wenn man mit einer Urlaubsbekanntschaft am Schluss noch Visitenkarten austauscht, obwohl man weiß, dass man sich nie wiedersehen wird. Von diesem Problem des Abschiednehmens profitiert übrigens die Kirche, die uns ja stets verspricht: „Im Himmel treffen wir uns alle wieder.“
Profitieren von diesem Trennungsschmerz auch gewisse politische Strömungen?
Natürlich. Denn von dem, was wir als Wohlstand definieren – genauer gesagt, dem Konsumwohlstand, einem rein materiellen Wohlstand – müssen wir uns in Europa wohl bald verabschieden. Der verursacht zwar viele psychische Krankheiten, aber wir wollen ihn trotzdem nicht aufgeben. Deshalb wählen viele auch die Vergangenheit – populistische Parteien, die uns sagen, dass wir uns nicht ändern müssen. Dass wir wieder wie früher leben, wieder in Lokalen rauchen, mit Schilling bezahlen können. Dass wir keine Wärmepumpen und keine Photovoltaikanlagen brauchen. Einfach weitermachen wie früher.
Die Wahrheit ist dem Menschen scheinbar wirklich nicht zumutbar …
Ich habe auch Angst vor Menschen, die ihre Seele auf der Zunge tragen und ständig sagen, was sie denken. Aber das will ja niemand hören. Ich möchte mich selbst belügen dürfen. Jeder braucht auch einen inneren Außenminister, der die Dinge diplomatisch für die anderen aufbereitet. Die Wahrheit würde einen ja nur traurig machen.
Das Buch ist dem Finanzamt gewidmet. Gab es schlechte Erfahrungen?
Nein. Es ist einfach eine meiner längsten Beziehungen. Das Finanzamt ist seit 30 Jahren ein treuer Begleiter. Ich habe Frauen verloren, Freundschaften sind zerbrochen. Ich habe geliebte Menschen zu Grabe getragen. Aber das Finanzamt ist mir nie von der Seite gewichen. Auch wenn keiner zu meinem Begräbnis kommt – ich fürchte, das Finanzamt wird da sein und mir noch eine Nachzahlung in die Urne legen.
Sie haben sich 2023 von der Bühne zurückgezogen. Was waren die Gründe?
Es gab einfach Umstände in meinem Leben, die schwierig waren. Und man nimmt das ja mit auf die Bühne. Das geht dann auch eine Zeit lang gut. Manchmal sind das sogar die besten Abende, weil man sehr emotional ist. Aber wenn die Dissonanz zwischen dem, was ich auf der Bühne verkörpere, und dem, was ich fühle – wie es mir gerade geht – zu lange zu groß ist, dann signalisiert dir der Körper irgendwann, dass es so nicht weitergehen kann. Das kann sich in einer Depression äußern, in Panikattacken, in diversen Angstzuständen. Ich hatte große Schlafprobleme und einen Tinnitus. Ab dem Zeitpunkt, an dem ich beschlossen habe, eine Pause einzulegen, ist der Ton des Tinnitus bereits von Volume neun auf Volume vier gefallen.
Wie bringt man wieder ein bisschen Lockerheit in sein Leben?
Durch Humor. Humor bedeutet Distanzgewinn. Ich sage in dem Zusammenhang gerne: „Menschen, die sich ernst nehmen, kann ich nicht ernst nehmen“. Fundamentalisten eint doch in Wahrheit die Humorlosigkeit. Religiöse Extremisten, Rechtsradikale, Linksradikale alle nehmen ihre eigene Wahrheit als die allgemein richtige. So was können Komiker nicht, die gehen auch ständig zu sich auf Distanz
Lebt es sich als Optimist oder als Pessimist leichter?
Der Pessimist gilt heute immer als der Intellektuelle. Weil er ist ein Warner vor der Zukunft. Trifft es dann so ein, hat er eine Win-win-Situation. Entweder wurde es aufgrund seiner Warnungen doch noch besser, oder er kann sagen: „ich habe es schon immer gewusst“. Diese Luxusposition hat der Optimist leider nicht. Er gilt manchmal eher als Naivling, doch die Welt hat viele Bereichen großartige Fortschritte gemacht. Einfaches Beispiel: Wann würde man wegen einer Wurzelbehandlung lieber zum Zahnarzt gehen? Im Jahr 2025 oder im 16 Jahrhundert.
Welche „Weisheit to go“ würden Sie unseren Leserinnen und Lesern mit in den Tag geben?
Ach, ich bin doch selber voller Zweifel. Aber vielleicht ist das genau mein Rat, den Zweifel als Freund zu haben. Eigene Wahrheit anzweifeln ohne sich dabei abzuwerten ist eine große Kunst, aber sie kann Freude bereiten. Schön wäre es, wenn wir alle das „Recht haben“ durch das „gemeinsame Ringen um Wahrheit“ ersetzen könnten.
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