Jeder trägt ein „Monster“ in sich. Während es die einen täglich in diversen Internet-Foren, auf Social-Media-Plattformen oder stolz auf der Straße zur Schau stellen, versuchen es andere zu besänftigen, es zu unterdrücken, wegzusperren, zu therapieren. Aber ganz wegmachen lässt sich dieses „Monster“ nicht. Es ist wie ein Virus, das in einem schlummert.
Auch Berni Wagner besitzt so ein „Monster“. Diesem widmet der in Oberösterreich geborene und aufgewachsene Kabarettist nun sein neues Soloprogramm, das am Donnerstagabend im Wiener Stadtsaal Premiere hatte. Es ist der Nachfolger des sehr erfolgreichen (und auch gelungenen) „Galápagos“, für das ihm 2022 der „Österreichische Kabarettpreis“ verliehen wurde.
Hartes Leben in Linz
Seinem „Monster“ sei er nach vielen Jahren wieder begegnet. Es schlummert zwar seit seiner Kindheit in ihm, aber er hatte es in den letzten Jahren einfach ein bisschen vergessen, ganz gut im Griff. Irgendwo sicher weggesperrt. Aber seit ein paar Monaten, nachdem ihm jemand von hinten ins Kreuz gesprungen ist, wurde es aus dem Wachkoma gerissen, dieses „Monster“. Passiert ist ihm das nach einem Junggesellenabschied in Linz, seiner alten Heimat. Eine raue Gegend mit rauen Charakteren. So rau, dass man damit den Stahl in der Voest bürsten kann.
Berni Wagner, der im Outfit eines Boxers (Leichtgewicht) locker auf der Bühne hin- und hertänzelt, redet schnell und redet viel – sein oberösterreichischer Dialekt wurde leider aufgrund zahlreicher Auftritte in Deutschland bereits geschliffen (schade).
Durch die Hölle gehen
Seine Bühnenpräsenz ist gut. Er ist laut, aber nicht zu laut. Er kann den Berserker, aber auch den schüchternen Außenseiter, den verunsicherten Mann. In seinen Ausführungen über seine persönlich gemachten Erfahrungen kommt er von einem ins andere, driftet dabei immer wieder ab, hält minutenlange und sehr lustige Vorträge über Schimpfwörter, die er nicht versteht. Weichei zum Beispiel. Das ist doch super. Denn das Gegenteil ist Hodenkrebs.
Es geht weiter mit den total bescheuerten Junggesellenabenden, bei denen alles passieren kann – nur der zukünftige Bräutigam darf auf gar keinen Fall Spaß haben, muss gequält werden, durch die Hölle gehen, stundenlang leiden. Denn so etwas muss ein Mann schon aushalten. Vor allem ein richtiger Mann. Aber was ist das eigentlich? Und wenn ein richtiger Mann immer auch pünktlich sein soll, dann ist er sicherlich keiner. Denn er kommt nämlich immer zu spät. Er lässt es sich von diesen "Uhrenkindern" aber auch nicht verbieten. Denn Pünktlichkeit spielt in der heutigen Multitasking-Arbeitswelt mit 24/7-Verfügbarkeit ja auch keine Rolle mehr. "Wer Zeit zum Pünktlichsein hat, hat offenbar nicht genug zum Hackeln."
Koffer
Den roten Faden verliert Wagner bei all den Ausflügen aber nicht. Das "Monster" kommt immer wieder zurück, taucht auf, wenn der Frust mal wieder zu groß wird.
Bei dem 34-Jährigen sind es zwei Wörter, die ihn zum Monster werden lassen: Öffentliche Verkehrsmittel. Dort sind es vor allem jene Menschen in völlig überfüllten Zügen, die provokant ihren Koffer auf den Sitz neben sich stellen, damit andere keinen Platz mehr haben und stattdessen neben dem stinkenden Zug-Häusel am Boden sitzen müssen. So etwas bringt Wagner in Rage. Sein Monster kehrt zurück. Dazu zieht er sich die Kapuze über den Kopf, verwandelt sich vom netten, fürsorglichen, mitfühlenden in einen schimpfenden, hasserfüllten Berni Wagner.
Am Ende des Abends hat er das "Monster" aber gebändigt - es hat jetzt sogar ein bisschen Angst vor ihm. Man kann es mit Mitgefühl, Solidarität, Liebe, Zuhören und Verständnis unter Kontrolle bringen, dominieren.
Das "Monster", von dem Wagner erzählt, ist übrigens ein ziemliches Würschtl (aber leider auch ein gefährliches Würschtl). Wer darin Parallelen zu gewissen Politikern und Strömungen sieht, liegt sicher nicht falsch.
Tauglich
Neben all den Pointen und Wohlfühlmomenten hat man auch das Gefühl, verstanden zu werden. So stellt sich auch Berni Wagner zurecht die Frage, warum ein Mann bei der Stellung zur Sack- und Peniskontrolle muss. Hängt davon etwa der Grad der Tauglichkeit ab? Berni Wagners komödiantische Exkurse über das Leben in Angst – dann, wenn einem die sturzbetrunkenen Krampusse durch das Dorf jagen oder die viel stärkeren Mitschüler einfach aus Langeweile verprügeln – regen auch zum Nachdenken an. Ein großartiger Abend.
Alle Termine finden Sie unter: berniwagner.at
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