Und dann, Mitte November 2017, erhielt Kirsten Dene im Ronacher ihren zweiten Nestroy, nun fürs Lebenswerk. Der Burgtheaterstar, seit Langem Kammerschauspielerin, las einige Zeilen aus Thomas Bernhards Stück „Ritter, Dene, Voss“ und schloss mit den Worten: „Zum Abschied ein leises Servus und ein lauteres: Obacht geben! Und spielt schön! Pfiat Euch! Danke.“
Die APA bezeichnete Dene damals als „Theaterlegende“. Das darf man nicht wörtlich nehmen. Es gibt lebende Legenden. Das „Servus“ aber: Das war, wie sich herausgestellt hat, ernst gemeint.
Ein paar Mal spielte sie noch in „Bella Figura“ und im „Europäischen Abendmahl“. Am 16. März 2018 feierte sie ihren 75. Geburtstag. Ohne Ehrung auf offener Bühne, ohne Trara. Rein gar nichts.
Am 31. März 2017 fiel für Kirsten Dene nach dem Stück „Ein europäisches Abendmahl“ im Akademietheater zum letzten Mal der TheaterVorhang. Dann war Schluss. Kirsten Dene ging in Pension – unbemerkt. Dass sie weg war, fiel gar nicht auf.
Weil sie eben, wie man so sagt, zum Inventar des Burgtheaters gehörte. Weil man zu wissen glaubte, dass sie ohnedies gleich wieder auftreten würde. Doch die viel gerühmte „Lichtgestalt“, die nie Interviews gab, nur über eine streng geheime Geheimnummer zu erreichen ist: Sie ging einfach ab.
Kirsten Dene, geboren am 16. März 1943 in Hamburg, war nach Stationen in Essen, Frankfurt am Main und Berlin 1972 zum Staatstheater Stuttgart gekommen. Claus Peymann förderte und forderte sie. Zum Abschied von Stuttgart brachte er im Juni 1979 Bernhards beklemmende Altnazi-Farce „Vor dem Ruhestand“ zur Uraufführung – mit Dene als widerspenstige, gedemütigte Clara.
Dann ging es weiter nach Bochum. Peymann inszenierte 1982 Heinrich von Kleists eigentlich unspielbares Stück „Die Hermannsschlacht“ – mit Kirsten Dene als Thusnelda und Gert Voss als Hermann. Die umjubelte Produktion war danach, 1984, im Rahmen der Wiener Festwochen zu sehen.
1985 hob Peymann bei den Salzburger Festspielen Bernhards „Der Theatermacher“ (mit Dene als hustende Frau Bruscon) aus der Taufe, im Jahr darauf „Ritter, Dene, Voss“ (mit Ilse Ritter als Dritte im Bunde).
Und gleich danach nahm Peymann das Burgtheater im Sturm. Bei fast allen wichtigen Produktionen war Dene mit dabei, natürlich auch bei Bernhards „Heldenplatz“, in Elfriede Jelineks „Raststätte“ oder Peter Turrinis „Alpenglühen“. 2001 spielte Kirsten Dene bei den Salzburger Festspielen in der Regie von Peymann eine Souffleuse – in einem Stück, das Christoph Ransmayr für sie geschrieben hatte. Es nannte sich „Die Unsichtbare“. Und Dene schillerte drei Tiraden lang.
Kaum eine vermochte mit den Augen mehr auszudrücken als sie. Ihr Repertoire an Blicken, an schelmischen wie arroganten, an liebevollen wie hasserfüllten, war grenzenlos. Und ihr komödiantisches Talent enorm.
Sie selbst schien unendlich viel Spaß zu haben in Oscar Wildes „Der ideale Mann“, aktualisiert von Jelinek, oder in der mörderischen Boulevardkomödie „Arsen und Spitzenhäubchen“.
Im letzten Jahrzehnt begeisterte sie zudem als desillusionierte Mutter in „Eine Familie“ von Tracy Letts und beinharte Helene Alving in Henrik Ibsens „Gespenstern“.
Kirsten Dene, rehäugig und mit markanter Stimme, zeigte sich nur auf der Bühne.
Aber dann war es eben gut. Nicht mehr zu spielen, habe sie, sagt man, richtig fröhlich gemacht.
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