Kaup-Hasler: "Zweiseitige Liste mit Forderungen an den Bund"
Baustellen gibt es für die parteifreie Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler zur Genüge – angefangen vom Volkstheater bis zum Wien Museum. Nun kam noch das Künstlerhaus hinzu. In einem offenen Brief fordert die Wiener Perspektive, eine Interessensgemeinschaft der freien Szene, den Wiedereinzug ins dortige Theater. Die zuletzt vom Brut betriebene Spielstätte sei von relevanter Größe, man wolle sich nicht an die Ränder der Stadt vertreiben lassen. Gezeichnet ist der Brief von vielen Protagonisten der Szene, u.a. von Claudia Bosse, Philipp Gehmacher, Daniel Aschwanden, Elio Gervasi bzw. Mitgliedern von Gruppen wie Toxic Dreams, Theatercombinat und Gods Entertainment.
Doch die Chancen stehen schlecht: Die Stadt Wien ist nicht willens, die Sanierung in der Höhe von fünf Millionen Euro zu finanzieren. Das Brut hat die Spielstätte daher aufgegeben. Was mit dem Raum passieren wird, ist noch völlig unklar. Veronica Kaup-Hasler bleibt gelassen.
KURIER: Die Stadt Wien gibt zum ersten Mal seit Jahrzehnten ein Theater auf ...
Veronica Kaup-Hasler: Das tut sie nicht. Das Brut wird es weitergeben. Allerdings stellt sich die Frage nach dem Standort. Ich habe mich dafür eingesetzt, dass das Brut im Künstlerhaus bleibt, und in Gesprächen mit Hans Peter Haselsteiner, der das Künstlerhaus auf seine Kosten restaurieren ließ, um bestmögliche Mietkonditionen gekämpft. Aber die Sanierung kostet absurd weit mehr als ursprünglich gedacht.
Sie hätte fünf Millionen gekostet. Aber die Stadt hat nur 800.000 Euro bereitgestellt.
Der Aufwand wäre nicht mehr in einer Balance mit den Möglichkeiten gestanden. Die Leitung vom Brut hat mich daher gefragt, ob ich eine Verlegung für denkbar halte. Ich sagte als Subventionsgeberin: Wenn Ihr einen besseren Standort findet – let’s go for it. Und sie fanden das Atelier Augarten. Es gab eine Ausschreibung, aber dann wurde die Sache von der Burghauptmannschaft in die Länge gezogen, und grundlegende Parameter wurden verändert. Daher gibt es noch immer keine Entscheidung, sondern nur positive Signale. Ich hoffe, dass wir das jetzt, in Zusammenarbeit mit der neuen Bundesregierung, in trockene Tücher bringen. Hans Peter Haselsteiner würde als Ausdruck unserer guten Beziehung eine höhere Miete kompensieren – bis zu maximal 150.000 Euro im Jahr. Das ist toll.
Das Brut würde das Areal aber nicht allein bekommen.
Ja, mittlerweile will die Burghauptmannschaft es aufteilen. Das müssen wir uns genau anschauen. Zudem ist der Raum schmäler als im Künstlerhaus, auch wenn es insgesamt mehr Platz gibt. Und der Ort ist nicht so zentral wie am Karlsplatz. Auf der anderen Seite: Im ersten Bezirk konzentrieren sich derart viele Kultureinrichtungen, dass es möglich sein muss, auf einen anderen Standort zu wechseln. Die U2 ist nicht weit entfernt. Zehn Minuten Fußweg sind zumutbar.
Kay Voges, ab dem Sommer Direktor des Volkstheaters, will sich auf das Haupthaus fokussieren. Wäre nicht die zweite Bühne, der Hundsturm, nun Volx Margareten, ein idealer Ort für das Brut?
Das ist eine Denkvariante, wenn sich der Augarten als problematisch herausstellen sollte. Aber Kay Voges operiert in einer künstlerischen Großküche: Er probiert aus – und verwirft Ideen wieder. Ich möchte ihm noch Zeit geben für eine definitive Entscheidung. Der Hundsturm ist ja auch eine Probebühne für das Volkstheater.
Das Volkstheater wird gerade saniert – und befindet sich in der gleichen Lage wie "Der gute Mensch von Sezuan": Es affichiert riesengroß Werbung – und übt gleichzeitig Kapitalismuskritik.
Ja, das sind bizarre Bilder, das gebe ich zu. Aber das Theater befindet sich in einer ambivalenten Lage. Es hat es bitternötig, Einnahmen zu lukrieren.
Stadt und Bund stellen je zwölf Millionen Euro zur Verfügung, das Volkstheater versprach, weitere 3,2 Millionen an Drittmitteln zu lukrieren. Ist ihm das geglückt?
Das müssen Sie den kaufmännischen Direktor fragen.
Haben Sie nicht einen Mann nominiert, der das Projekt überwacht – auch hinsichtlich allfälliger Kostenüberschreitungen?
Als Subventionsgeber ist die Stadt Wien nicht für die kaufmännische Leitung verantwortlich. Allerdings haben wir einen Baubeirat installiert. Ich kann daher nur sagen, inwieweit die Funktionssanierung im Plan ist. Und das ist sie. Ich muss dafür sorgen, dass der Betrieb anständig finanziert wird. Das Volkstheater ist unterdotiert.
Daher haben Sie die Subvention um zwei Millionen Euro angehoben.
Genau. Die Stadt Wien bekennt sich zu ihrem Theater. Und ich kämpfe darum, dass auch der Bund die Subvention erhöht – um eine Million Euro. Das ist auch im Stiftungsvertrag festgeschrieben: Dass es eine Unterstützung von Bund und Stadt gibt.
Gernot Blümel, der ehemalige ÖVP-Kulturminister, sah nicht ein, warum der Bund ein ÖGB-Theater noch höher mitfinanzieren soll.
Es ist kein ÖGB-Theater! Das Theater ist eine Stiftung des ÖGB, die der Öffentlichkeit eine sehr wertvolle Immobilie zur Verfügung stellt.
Der Stiftungsbeirat, das entscheidende Gremium, wird vom ÖGB dominiert.
Noch. Meine Idee ist, dass der Beirat künftig ausschließlich mit Personen besetzt ist, die von der Stadt und vom Bund nominiert werden. Der ÖGB hat zugestimmt. Ich spreche mich für ein Expertengremium aus, das nicht parteipolitisch besetzt ist, sondern aus Menschen der Zivilgesellschaft besteht. Ich freue mich daher auf die Gespräche mit Ulrike Lunacek.
Was erwarten Sie sich von der neuen Staatssekretärin für Kunst und Kultur?
Zunächst freut es mich, dass zentrale Agenden der Wiener Kulturpolitik, etwa Fair Pay, übernommen wurden. Dennoch habe ich eine zweiseitige Liste mit Fragen und Forderungen. Man darf nicht vergessen: Die Stadt Wien übernimmt sehr viele Aufgaben, die eigentlich auch Sache des Bundes wären, darunter die Finanzierung des Filmmuseums oder der Viennale, des internationalen Filmfestivals dieses Landes.
Der Bund finanziert andererseits viele Einrichtungen in Wien mit, obwohl er dazu gar nicht verpflichtet ist.
Die Förderstrukturen sind über Jahrzehnte gewachsen, manche Entscheidungen nicht mehr nachvollziehbar. Ich würde gerne eine Flurbereinigung anregen: Wir gehen systemisch alle Institutionen in Wien durch und besprechen, wer was finanziert.
Das Kulturbudget der Stadt steigt heuer beachtlich – um 10,3 Prozent von 253,27 auf 279,41 Millionen Euro.
Das hätte dem KURIER mehr wert sein können als ein Einspalter. Auch wenn er die Meldung als Erster brachte. Es gibt in allen Bereichen Erhöhungen – von der freien Szene bis zur Stadtteilkultur.
40,2 Millionen gehen an die Vereinigten Bühnen Wien. Die eine Hälfte wird für die Oper verwendet, die andere fürs Musical. In der laufenden Saison gibt es ausschließlich „Cats“ im Ronacher. 20 Millionen fürs Musical, für das Volkstheater hingegen nur 14,4 Millionen: Wie argumentieren Sie das?
Wir haben das Kulturbudget erhöht, die Subvention für die VBW aber ist gleichgeblieben. Würde man Musical in einer großen Halle spielen, wäre der Zuschussbedarf weit geringer. Die kulturpolitische Entscheidung, Musical in einem alten Gebäude mit nur 1000 Sitzplätzen zu spielen, fiel lange vor meiner Zeit.
In Wien wird heuer gewählt. Was würden Sie gerne in der nächsten Periode realisieren, falls Sie die Gelegenheit bekommen sollten?
Meine Vision wäre ein Science-Communication-Center, ein Museum der Aufklärung sozusagen. Das Technische Museum beschäftigt sich in erster Linie mit der Vergangenheit; wir haben aber keine Institution, die sich mit der gegenwärtigen Technik und Forschung, mit Fragen etwa zu unserem Ökosystem beschäftigt. In Japan gibt es das Miraikan, das Museum of Emerging Science and Innovation. Es wird von ehemaligen Astronauten Mamoru Mori geleitet, der bei seinen Flügen feststellen musste, wie sehr die Lichtemission zugenommen hat. Sein Anliegen ist es, die Erde zu retten. In diesem Museum sind die Forscher vom Publikum nur durch eine Glasscheibe getrennt. Und sie erklären ihm genau, woran sie arbeiten. Ich finde, auch wir brauchen ein solches Museum.
Bürgermeister Michael Ludwig trat 2018 mit zwei Leuchtturmprojekten an. Die Donauarena ist aber wegen Unrealisierbarkeit untergegangen. Und wie sieht es mit der neuen Stadthalle aus?
Eine Machbarkeitsstudie ist vor der Fertigstellung. Ich bin dafür nicht zuständig, beschäftige mich aber mit der Frage, wie man die bestehende Halle weiter nutzen kann.
Sie wäre ideal für eine effiziente Musical-Bespielung.
Oder als großes Architekturzentrum.
Es gibt noch immer kein Wiener Kulturförderungsgesetz.
Die meisten Kulturförderungsgesetze sind schwammig formuliert. Wir planen stattdessen eine Kulturstrategie, um zum Beispiel Förderrichtlinien zu verankern. Das halte ich für das bessere Instrumentarium. Wir starten den Prozess jetzt. Die Hoffnung ist, dass diese Strategie in eineinhalb Jahren fertig ist.
Sie haben aber davor eine Wahl zu schlagen.
Ich mache nicht Dinge schnell, schnell, nur damit sie dann nicht gut sind. Wenn man nur in den Parametern von Wahlen denkt, macht man es falsch.
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