„Katja Kabanova“: Zwischen unterdrückter Sexualität und scheinheiliger Bigotterie

„Katja Kabanova“: Zwischen unterdrückter Sexualität und scheinheiliger Bigotterie
Leoš Janáčeks Oper wird erfolgreich am Opernhaus Graz gezeigt.

von Helmut Christian Mayer

Hammer und Sichel werden gleich zu Beginn vom Fenster abgekratzt und durch Heiligenbilder ersetzt. Das Hallenbad, das noch mit Kacheln und Leitern rudimentär vorhanden ist, wurde wieder zur Kirche zurückgebaut (Bühne: Eleni Konstantatou). Anika Rutkofsky versetzt am Grazer Opernhaus den dörflichen Hintergrund von Leoš Janáčeks „Katja Kabanova“ in dieses Ambiente zur Zeit des Verfalls der Sowjetunion. In diesem Einheitsbild spielt die tragische Geschichte der Katja, die von ihrer Schwiegermutter terrorisiert wird und eine Affäre eingeht.

Die Regisseurin betont dabei nicht immer gerade subtil die erotischen Träume der Titelheldin, die sich auch im Bühnenbild mit einem überdimensionalen Vorhang, der stark an eine Vulva erinnert, widerspiegelt. Wie überhaupt die Lust der Gläubigen tagsüber unterdrückt wird, sie beten sittsam in der Kirche. Während man sich nächtens hier zu Schäferstündchen trifft. Nach ihrem Geständnis des Ehebruchs geht Katja entgegen dem Libretto nicht in selbstmörderischer Absicht in die Wolga, sondern wird von der Kirchengemeinde kollektiv mit Gebetsbüchern erschlagen. Ebenso wie ihr Mann Tichon, als er sich scheinbar erleichtert über den Tod seiner Frau, den Kirchendiener vor allen küssend, als homosexuell outet.

 

Tiefe Ausdruckskraft

Noch aufwühlender als die Szene ist zweifellos die musikalische Seite und hier vor allem die Grazer Philharmoniker unter Roland Kluttig, der damit seine letzte Opernpremiere hier am Haus bestreitet. Janáčeks Musik wird mit mitreißender Schönheit und tiefer Ausdruckskraft gespielt. Dunkel gefärbt werden die Gefühle der Personen in einer ohne Pause gezeigten Fassung geschildert.

Marjukka Tepponen gibt ihr Rollendebüt als eine von Liebe und Zärtlichkeit träumende Titelheldin mit lyrischer Eleganz, intensiver Leidenschaft aber auch großem Leiden. Unerfüllt ist sie in ihrer Ehe mit dem Muttersöhnchen Tichon, den Matthias Koziorowski mit kraftvollem Tenor gestaltet.

Terrorisiert werden beide von ihrer Schwiegermutter Kabanicha, die von der ungemein präsenten, bösen und kalten Iris Vermillion gesungen wird. Sie hat ein Verhältnis mit dem zum orthodoxen Popen umgedeuteten Kaufmann Dikoj, den Wilfried Zelinka ideal verkörpert. Katjas Liebhaber Boris wird von Arnold Rutkowski mit höhensicherem, leuchtendem Tenor gesungen. Kokett und lasziv spielt und singt Mareike Jankowski die Varvara, mit hellem Tenor Mario Lerchenberger ihren geliebten Kudrjasch. xzellent und sehr homogen hörte man den Chor des Hauses. Viel Applaus!

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