Karl Ove Knausgård: Und jetzt das Ohrenschmalz

Karl Ove Knausgård bei seinem Wien-Besuch 2015
Der zweite Teil vom "Lexikon des Universums", das der Norweger für seine Tochter geschrieben hat.

Kürzlich hat auf Radio Wien ein Christbaumhändler erklärt, woran man einen "guten" Christbaum erkennt. Erstens: Er hat Nadeln. Zweitens: Berührt man die Nadeln, sollten sie nicht alle gleich zu Boden fallen.

In diesem Moment hat der österreichische Christbaumhändler ein bisschen an den Norweger Karl Ove Knausgård erinnert.

Allerdings geht der mittlerweile 49-Jährige – 16 Bücher, elf Literaturpreise – manchmal doch etwas tiefer ins Philosophische.

Nehmen wir, aus aktuellem Anlass, die Wattestäbchen: Karl Ove Knausgård begnügt sich nicht einfach mit der Erklärung: Man steckt das eine Ende in den Gehörgang "und dreht es behutsam, und wenn man es wieder herauszieht, haftet gelbbraunes Ohrenschmalz an der weißen Watte."

Er geht sogar darauf ein, dass es wohl in Zukunft keine Roboter geben wird, die Ohrenschmalz produzieren können oder Nasenhaare – und diesen, wie er es nennt, "Manikürischen Frieden", den schätzt er sehr.

Das erste Mal

"Im Winter" ist erschienen. Der zweite Teil der "Jahreszeiten"-Serie.

Auf die 3600 Seiten seiner halbwegs autobiografischen Schriften ("Sterben" "Lieben", "Spielen"...) folgen, wie im KURIER berichtet, Briefe an seine noch ungeborene bzw. ab Band zwei neugeborene Tochter Anne.

Für sie schrieb Knausgård gewissermaßen ein Lexikon des Universums, in dem seine Ausführungen über beispielsweise Zähne, Blitze und den Bildern van Goghs gleichberechtigt neben Themen stehen wie Erbrochenes, Pinkeln, Klobrillen, Blechdosen usw.

Er schrieb darüber so, dass man die Welt zum ersten Mal sieht.

Ein Geschenk an sein (viertes) Kind, das auch den vielen Fans des Schriftstellers zu gefallen scheint.

Wobei es selbst in Skandinavien ein paar Leser gibt, die meinen, da sei nichts dahinter. Meist aber heißt es, das sei Poesie – die Explosion des Nüchternen – Knausgård gebühre der Nobelpreis.

Seite 51: "Münzen sind kleine, runde Metallscheiben ...Münzen bewahrt man in der Regel in der Hosentasche oder in einem der geschlossenen Fächer des Portemonnaies auf ..."

Seite 59: "Der Stuhl dient uns zum Sitzen."

Triebstationen

Und so geht das weiter, aber nicht immer, es geht – sein Baby wird sich freuen – z. B. auch um sexuelle Begierde; und da hat der Bestsellerautor mehr zu sagen als: gehört dazu wie Essen und Trinken.

Er schlägt Sexualtriebstationen an den Hauptverkehrsradern vor. Jetzt kann man wenigstens mit ihm streiten. Aber beim Stuhl?

Bei Münzen in der Hose?

Aus der "Edda" wird von ihm zitiert, in anderem Zusammenhang zwar, aber es passt so gut zu Knausgård:

"Gehen soll man,

darf nicht Gast sein

immer an einem Ort;

der Geschätzte wird unbeliebt,

wenn er lange sitzt

auf des andern Bank."


Karl Ove Knausgård:
„Im Winter“
Übersetzt von Paul Berf. Mit
Bildern von Lars Lerin.
Luchterhand
Verlag,.
320 Seiten.
22,70 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

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