Karl Ove Knausgård: Der Glockenfrosch quakt heute nicht

Karl Ove Knausgård in Wien
Karl Ove Knausgård und der letzter Teil des Mammutprojekts. Wie reagierten die Bloßgestellten?

Angst!

Denn dass Karl Ove Knausgård seine Kinder badet und ins Bett bringt, dass er überlegt, ob seine Lindeberg-Jeans zum Ted-Baker-Jackett passen, dass er ein Silberfischchen beobachtet, nur 30 cm von einem Fuß entfernt ... das kennt man vom Norweger, das mag man. Sehr viele mögen das.

Aber die Glockenfrösche!

Karl Ove trifft einen Fotografen, der Fotograf geht mit ihm spazieren, sie gehen zu einem Teich, der Fotograf sagt: Hier, nur hier gibt es Glockenfrösche. Und dann erklärt der Fotograf, Glockenfrösche heißen Glockenfrösche, weil ihr Gequake wie Glöckchen klingt, und dann sagt er: Leise! Hören wir zu!

Alles opfern

Und dann schweigen und lauschen sie, aber da ist nichts.

Kein Frosch ist zu hören.

Und Karl Ove und der Fotograf gehen weiter.

Ob man so etwas Nichtquakendes 1200 Seiten lang durchhält? "Kämpfen" ist der sechste und letzte Teil seines mehr oder minder autobiografischen Riesenromans.

Er hat ein Thema, nämlich die Reaktionen auf die ersten Bücher, die in Skandinavien ab 2009 – bis 2011 – veröffentlicht wurden (und den heute 48-Jährigen weltberühmt machten).

Die Reaktionen jener Menschen, die er schonungslos für seine Literatur vorgeführt hat.

Knausgård würde alles für einen guten Roman opfern. Sagt er selbst, und einige Leser fanden das derart unsympathisch, dass sie aufhörten, die Bücher zu lesen.

Seine Frau Linda Boström zum Beispiel und ihre umfangreichen psychischen Probleme hat er vorgeführt.

Er hätte Linda erlaubt, einzelne Textteile zu streichen. Sie habe tagelang nichts mit ihm gesprochen, habe viel geweint, aber geändert habe sie keine Zeile. (Getrennt hat sie sich von ihm.)

Ich, Ich, Ich

Sein Onkel hielt Buch eins nicht aus: Er ist der Bruder von Karl Oves Vater, der als Alkoholiker stirbt; in einem Haus voller Flaschen; eine arge Szene.

Vom Onkel wurde der Autor daraufhin als Lügner hingestellt. Aber es dürfte nichts Großes sein, das der Wahrheit widerspricht.

Nur in der Art: Ob leere Schnapsflaschen auch auf der Treppe im Haus standen oder nur unterm Bett, auf dem Klavier ...

1200 Seiten:

Ich, Ich, Ich.

Davon kann man sich allerdings 400 Seiten für später aufheben, denn da schaut er sich Hitler und dessen "Mein Kampf" genau an, das Böse, das wie du und ich ist zunächst; und er philosophiert klug über die Macht von Namen und über Identitäten – ich, wir es ... bis er dort ankommt, wo ihn sowieso alle vermuten: Er sei unfähig, Teil eines Wir zu sein.

Und jetzt bitte Linda Boström. Sie hat ihren ersten Roman geschrieben, er wurde bisher nur ins Englische übersetzt: Ein Mädchen wird geboren, als Zwölfjährige, sie kommt im Kopf ihres Vaters zur Welt. Der Kopf platzt, das Mädchen läuft davon.

Und dann bitte einen Lese-Urlaub.


Karl Ove Knausgård:
„Kämpfen“
Übersetzt von Paul Berf und
Ulrich Sonnenberg. Luchterhand Verlag.
1280 Seiten.
29,90 Euro.

KIURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

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