Kabarett: Das bringt 2016

Sigi Zimmerschied
Unerhörtes mit Sigi Zimmerschied: "Tendenz steigend – Ein Hochwassermonolog".

"Wirkungsvolles Kabarett ist wie Hochwasser: Beide spülen Fassaden weg", weiß der wortgewaltige Bayer Sigi Zimmerschied spätestens seit 2013, als auch sein Haus in Passau vom Hochwasser verwüstet wurde. Gute Satire ist für den Kabarettisten wie eine Naturkatastrophe: überraschend, kraftvoll, alle Sinne fordernd. Irritation und Unsicherheit provozierend.

"Da hilft keine App. Depp bleibt Depp."

Die Wahrheit hängt vom Wasserstand ab. Steht einem das Wasser bis zum Hals, kommt Wesentliches zum Vorschein. Katastrophen machen die wahren Wesenszüge von Menschen oder einer ganzen Gesellschaft sichtbar. Es genügen ein paar Flüchtlinge, und schon tauchen wieder altbekannte Feindbilder und Verhaltensmuster auf, die man längst überwunden geglaubt hat.

Aus dem humanistisch-demokratischen Schaufensterburschen wird auf einmal wieder eine armselige Figur.

Erst kommt das Fressen

Und dann die Moral. Es ist die alte Geschichte. "Tendenz steigend – Ein Hochwassermonolog" (15. 1. und 8. 4. live im Stadtsaal in Wien) seziert den Zustand einer Gesellschaft, einzelner Repräsentanten, aber auch "gewöhnlicher" Bürger vor dem Hintergrund des stetig steigenden Donaupegels.

Ob Erzbischof, Lokal- oder Bundespolitiker, Nachbar oder man selbst: Jeder wird auf seine Schwächen abgeklopft. Wie reagieren also Menschen auf eine Katastrophe? Wie würden wir selbst reagieren?

Aber eine Menschheit, die schon "für den Weg aufs Scheißhaus" eine App braucht, will Gewissheit. Sie will gestern wissen, was sie morgen sagen wird, wenn man sie fragt, was sie heute gesehen hat. Und ist ebenso ein Beispiel für "die generelle Idiotisierung unserer Gesellschaft" wie des Bankers, dessen Aktien-Glaubensbekenntnis ist: "Alles, was steigt, ist gut."

Zimmerschied hält dagegen: Wer die Sucht nach "Twitter, Facebook und Co. für einen sozialen Fortschritt hält", der sei "intellektuell auf dem Niveau von Fliegen. Denn die halten auch jeden Scheißhaufen für eine Kommunikationsplattform."

Lachen aus Notwehr

"Ein furioses Sittengemälde, bei dem man nicht annähernd die Fülle der schmerzhaft klugen, bösen Sätze und der dramaturgischen Einfälle andeuten kann, über die man aus Notwehr lachen muss", urteilte die Süddeutsche Zeitung. "Noch bei jedem seiner Programme schrieben die Kritiker, da könne Zimmerschied nichts mehr draufsetzen. Noch jedes Mal hat er dann doch wieder einen neuen, überzeugenden Dreh gefunden. Diesmal hat er sich in jeder Hinsicht selbst übertroffen."

Nach Österreich kommt der Passauer Querdenker gern. Hier käme sein Humor beinahe am besten an, denn das heimische Publikum hätte ein "besonderes Sensorium für Doppelbödiges und Zynisches – auch dank Karl Kraus und Helmut Qualtinger".www.stadtsaal.comwww.sigi-zimmerschied.de

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