Julia Lacherstorfer widmet ihr Solo-Debüt degradierten Frauen
„Als meine Mama nach ihrer Karenz wieder als Lehrerin arbeiten gehen wollte, hat der Schuldirektor meinen Vater gefragt, ob er meiner Mama erlaubt, wieder arbeiten zu gehen!“ In der Stimme von Julia Lacherstorfer, Musikerin der neuen Volksmusik, schwingt Empörung mit, während sie das im KURIER-Interview erzählt.
Diese und andere Geschichten von Frauen, deren Leben von Männern unterdrückt oder zumindest bestimmt wurde, hat die Geigerin, die mit der Band Alma begann, in die Songs ihres ersten Soloalbums „Spinnerin (a female narrative)“ gepackt. Entstanden ist die Idee, als Lacherstorfer auf der Suche nach traditionellen Volksmusik-Liedern war, die aus weiblicher Sicht geschrieben sind.
„In traditionellen Liederbüchern ist diesbezüglich nicht viel drinnen. Da ist die Mehrzahl aus männlicher Sicht, und nach anderem muss man sehr intensiv suchen. Ich will nicht sagen, dass es solche Lieder nicht gibt, denn das weiß ich nicht. Um das festzustellen, hätte ich mich in ethnomusikologische Recherchen stürzen müssen. Das wollte ich aber nicht, denn ich bin in erster Linie Musikerin.“
So schrieb Lacherstorfer die meisten Songs selbst, führte für drei Interviews mit älteren Frauen, die sich an ihre Lebensumstände erinnern und bearbeitete diese Sprachaufnahmen experimentell. Etwa im Lied „Königin Salomon“, in dem die 92-jährige Maria Salomon erzählt, wie sie als Kind die Schuhe vom Vater putzen musste, er immer das Essen zuerst bekam, was sie schon als Kind als ungerecht empfand.
„Ich habe natürlich gewusst, dass es Dinge wie Frauenwahlrecht noch nicht lange gibt“, sagt Lacherstorfer. „Auch, dass meine Oma, deren Leben und Gefühle ich im Lied ,Irgendwann‘ porträtiert habe, ganz anders aufgewachsen ist. Aber durch die Arbeit an ,Spinnerin‘ habe ich mir das alles jetzt aus feministischer Sicht näher angeschaut und fand es erschütternd.“
Auch das Buch „Das beherrschte Geschlecht: Warum sie will, was er will“ der Psychologin Sandra Konrad hat die 35-jährige Musikerin beeindruckt: „Darin rollt sie das Thema historisch auf und schreibt auch, dass es sehr lange allgemeiner Glaube war, dass das Gehirn der Frau kleiner und weniger leistungsfähig ist – ohne dass es dafür einen wissenschaftlichen Beweis gab. Deshalb finde ich es wichtig, jüngere Gerationen immer wieder darauf hinzuweisen, dass das alles nicht sehr lange her ist und dass es immer wieder zentrale Figuren, wie bei uns Johanna Dohnal, gegeben hat, die sich massiv für Gleichberechtigung eingesetzt haben.“
Unterstützung für das Projekt bekam Lacherstorfer im Lockdown von unerwarteter Seite. Sie gewann für "Spinnerin (a female narrative)" den mit 15.000 Euro dotierten Hubert-von-Goisern-Kulturpreis. „Ich habe dafür im März eingereicht, und noch im Lockdown kam der Anruf von Hubert, dass ich diesen Preis gewonnen habe. Ich beziehe mein Einkommen zwar nicht nur aus Auftritten. Ich bin auch Intendantin des Wellenklaenge Festivals in Lunz am See, das wir heuer mit einem Drittel der sonst üblichen Zuschauer durchgezogen haben. Aber von einem finanziellen Standpunkt aus kam dieser Preis genau richtig. Das habe ich Hubert auch gesagt. Ich habe mich auch riesig über die Anerkennung gefreut, aber das Preisgeld ist ganz in das Projekt geflossen und war eine wirklich große Hilfe.“
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