Die Anatomie eines großen Werks

Der Hauptraum des Museum Angerlehner: Seit September 2013 zeigt man in der eindrucksvoll adaptierten Fabrikhalle Werke österreichischer Malerei und Skulptur
Das Museum Angerlehner in Thalheim bei Wels widmet sich dem Maler Jürgen Messensee.

Das Auge. Das Ohr. Der Nabel. Die Brüste. Irgendwann wird bei den Gemälden von Jürgen Messensee alles klar. Vordergründig schnell gemalt, entpuppen sich seine Bilder nach und nach als wohl überlegte Akte, Körperstudien, Landschaften. Man muss sie allerdings "sehen lernen", ähnlich, wie sich ein kubistisches Gemälde von Picasso oder Braque erst erschließt, wenn man einige Prinzipien verinnerlicht hat.

An Picasso muss man in der umfangreichen und doch kompakten Schau, die Caroline Messensee, die Tochter des Künstlers, in den Räumen des privaten Museums Angerlehner in Thalheim bei Wels/OÖ arrangiert hat, überhaupt des Öfteren denken.

Picasso-Prinzipien

Natürlich gehört Jürgen Messensee – 1936 in Wien geboren und eher ein Außenseiter des Kunstbetriebs – einer anderen Generation an. Doch die Art, wie er Gegenstände in eine bildliche Sprache übersetzt, wie er auch "unedles" Arbeitsmaterial als Bedeutungsträger nutzt und ernst nimmt, wie er zwischen den Disziplinen von Skulptur und Malerei pendelt – das hat einiges mit dem Über-Vater der Moderne gemein.

Das Verhältnis zwischen dreidimensionaler und zweidimensionaler Kunst steht im Fokus dieser Schau, die den Titel "Jenseits der Gegensätze" trägt. Kuratorin Messensee hat dazu vier Skulpturen in die Räume gestellt: Ein Fuß, ein Arm, zwei Brüste und ein Kopf, der auch ein Herz sein könnte, bilden die Ankerpunkte einer Ausstellung, die gewissermaßen die Anatomie von Messensees Werks offenlegt.

Es ist interessant zu sehen, wie Messensee den flachen Bildträger unterwandert, indem er etwa einen abgewinkelten Ellbogen auf ein abgebogenes Blech malt.

Impressionen der Ausstellung

Die Anatomie eines großen Werks

Jürgen Messensee, Thais, 2009, Kohle auf Leinwand, 117 x 180 cm (Foto Horst Stasny).jpg
Die Anatomie eines großen Werks

Jürgen Messensee, Yoyo, 2010 - 2012, Acryl, Kohle und Spray auf Leinwand, 145 x 200 (Foto Lena Deinhardstein).jpg
Die Anatomie eines großen Werks

Jürgen Messensee, Portrait Terry, 2010, Acryl, Tusche, Blei auf Rives, 36,5 x 28 cm (Foto Lena Deinhardstein).jpg
Die Anatomie eines großen Werks

Jürgen Messensee, Logos, 2012, Acryl auf Leinwand, 223 x 200 cm (Foto Lena Deinhardstein).jpg

Zum Angreifen

Weibliche Brüste – ein Motiv, das Messensee offenbar gern für Überlegungen zur Dreidimensionalität nutzt – werden aus dem Bildgrund geschnitten, gekippt, gespiegelt; im Werk "Crazy Horse" sind sie mit Glitzerlack bestreut, wie die Körper der Tänzerinnen im gleichnamigen Pariser Cabaret. Es ist Malerei zum Angreifen – auch wenn das Berühren freilich verboten ist.

Messensee hat dabei viele Geistesverwandte – neben Picasso kommen einem Lucio Fontana oder Robert Rauschenberg in den Sinn. Doch der Österreicher nimmt die bildnerischen Probleme der modernen Klassiker mit einer Lockerheit, die auch von einem jugendlichen Sprayer stammen könnte. Tatsächlich scheut Messensee vor Spraydosen nicht zurück; für die Animation "Porträt E" (2006) ließ er Linien und Pinselstriche sogar in eine 3-D-Computeranimation übertragen.

Die Schau, die auch mit einer Film-Doku zu Messensee aufwartet, bringt damit eine faszinierende Künstlerpersönlichkeit näher – und ein Werk, das das Tal zwischen klassischer Moderne und Gegenwart locker überbrückt.

Museum Angerlehner

Das Haus Seit September 2013 zeigt das Museum Angerlehner in einer umgebauten Werkhalle die Sammlung des Gründers und Künstler-Einzelausstellungen. Die Schau „Messensee – Jenseits der Gegensätze“ ist bis 19.10. zu sehen. Geöffnet von Donnerstag bis Sonntag 10–18 Uhr; www.museum-angerlehner.at

Der Sammler Heinz J. Angerlehner, 1943 in Wels geboren, gründete die Firma FMT für Industriemontagen und trug eine rund 2500 Werke umfassende Kunstsammlung, vorrangig österreichische Malerei und Plastik, zusammen. Sein Museum, das auch mit viel Programm zur Kunstvermittlung aufwartet, versteht er als Angebot an die Bevölkerung und an Urlauber in der Region.

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