"Roman ohne U": Eine raffinierte Familiensaga

Judith W. Taschler, Jahrgang 1970, war Deutschlehrerin
Judith W. Taschler: Sibirien kommt in die Mühle nach Oberösterreich

Das "U" auf der alten Schreibmaschine wird langsam unleserlich. Wenn Thomas seine Erinnerungen an zwei Jahrzehnte im sibirischen Gefangenenlager aufschreibt, muss er sehr fest aufdrücken. "U" ist wichtig: Es gehört in Wut und Russland und Uranabbau und auch in Mut.

Daher kommt der Titel von Judith W. Taschlers Roman. Sie ist Linzerin, lebt in Tirol, und schon in "Die Deutschlehrerin" (2011, vierte Auflage) war sie äußerst raffiniert.

Damals brauchte sie für ein tiefgehendes Drama bloß einen Mann, eine Frau und ein (möglicherweise) entführtes Kind.

Großer Kreis

Im "Roman ohne U" , der im Wiener Picus Verlag mit 25.000 Exemplaren startet, gönnt sie sich viel Personal.

Und ist diesmal überdrüber raffiniert. Ihre Familiensaga ist rund, aber damit alles zusammenkommt, musste der Kreis sehr groß sein und dick aufgetragen werden.

Trotzdem, das Ergebnis liest sich sehr gut, das Interesse beim Lesen lässt nie nach, und die Zeitsprünge – von 2012 zurück nach 1945 und wieder vorwärts – hält man aus.

Es würde ein schreckliches Durcheinander ergeben, würde man hier vom Roman mehr zeigen wollen als bloß das "Herz":

Katharina aus Tirol kommt zur Bergmühle nach Oberösterreich. Dort wohnt eine Biografin, Stephanie. Sie lässt sich Leben erzählen und macht Bücher daraus.

Den Beruf sollte man sich unbedingt merken.

Katharina bringt ein Packerl Maschinschreibseiten und ein Tonband mit. Getippt und besprochen von ihrem Onkel nach seiner Rückkehr 1965. Er war auf den Gulag verschleppt worden. Mittlerweile ist er dement. Seine Geschichte soll erhalten, in Form gebracht werden.

Das ist der Stoff, aus dem neue Beziehungen (inkl. tödlichem Verkehrsunfall) entstehen und alte Verwandtschaften bekannt werden.

"Roman ohne U": Eine raffinierte Familiensaga
buch

Man könnt’ ja sagen, das gehe auf keine Kuhhaut.

Aber bei Judith W. Taschler funktioniert es tatsächlich.

Nur ohne "U" geht gar nichts.

Vor allem braucht es Thomas in seinen Aufzeichnungen für den Namen Lu – für Ludovica, die Thomas in den sibirischen Lagern geliebt hat.

Mit ihr wäre ihm fast die Flucht übers Meer geglückt, mehr verraten wir aber jetzt an dieser Stelle wirklich nicht mehr.

KURIER-Wertung:

INFO: Judith W. Taschler: „Roman ohne U“ Picus Verlag. 330 Seiten.22,90 Euro.

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