José Cura: "Wir sind keine Maschinen"

José Cura: "Es ist nicht dasselbe, berühmt und bedeutend zu sein."
Der Tenor im KURIER-Gespräch über das Opernbusiness, die Krise und die Gefahren des Internets.

Ich habe geweint vor Schmerzen. Aber wenn man 'Otello' singt, kann man nicht so einfach absagen. Vor allem nicht zwei Stunden vor der Aufführung.“ Mit einer akut gewordenen Rückenverletzung stand Tenor José Cura vergangene Woche auf der Bühne der Wiener Staatsoper. „Es war schwer, zu atmen, das fühlte sich an wie ein Messerstich“, schildert der Sänger im KURIER-Gespräch.

Mit einem Schmerzmittel überstand er die Aufführung, und „Wien ist in dieser Hinsicht großartig. Ich singe hier seit 20 Jahren, das Publikum weiß, dass ich mein Bestes gebe. Wir sind Menschen, keine Maschinen.“

Aber Cura (50) bestätigt: Das Opernbusiness stellt Anforderungen, die speziell für junge Sänger oftmals gefährlich sind. „Es ist heute so leicht wie noch nie, berühmt zu sein, wenn die Plattenfirma ihre Arbeit macht. Auch ich hatte diese Zeit, ich war jung und schön, war auf Titelseiten – und Teil des Business.“ Nun, mit 50, sei er „froh, dass ich diese hektischen Jahre überlebt habe und nun ein Künstler sein kann, bei dem es nicht mehr nur ums Business geht. Es war nicht leicht.“

Wurzeln

Denn man brauche starke Wurzeln, um zu bestehen. „Dieses Business zerstört sonst deinen Kopf und dann deine Gesundheit.“ Viele junge Sänger halten diesen Stress mental nicht aus: „Sie fangen vom Kopf aus an zu leiden, der Körper zieht – anfangs unmerklich – nach. Dann müssen sie sich dauernd als krank ansagen lassen, oder sagen überhaupt ab.“ Nachsatz: „Es ist nicht dasselbe, berühmt und bedeutend zu sein.“

Es sei ein „großartiges Gefühl“, etabliert genug zu sein, um sich den eigenen künstlerischen Interessen widmen zu können, betont Cura. Seine Interessen gelten im Moment insbesondere argentinischen Liedern, mit denen er am 9. Dezember im Wiener Konzerthaus gastiert. Darunter auch Eigenkompositionen: Es sind „klassische Lieder mit einem folkloristischen Touch“, die auf Texten von Pablo Neruda basieren, erzählt der ausgebildete Komponist. „Aber kein Tango und kein Pop!“

Krise

Cura ist nicht nur Sänger, Komponist und Dirigent, sondern auch noch Regisseur. In Stockholm inszeniert er demnächst „La Boheme“. Eine Parallele zum Jetzt: „Auch wir leben in einer Zeit der Krise“, sagt Cura. „Wir sagen zwar, es ist eine wirtschaftliche, aber eigentlich ist es eine moralische Krise – auf allen Ebenen, geistig, auch künstlerisch. Diese heutige Oberflächlichkeit!“

Eine generelle Opernkrise sieht Cura nicht. „Vor allem die Opernhäuser, die an eine touristische Infrastruktur gebunden sind, werden überleben. Es wird immer Touristen geben!“ Cura befürchtet aber, dass die junge Generation langsam den Bezug zu „großen kulturellen Erlebnissen“ verliert. „Das muss gar nicht Oper sein“, betont er. Alle Hoffnung liege in den jungen Menschen, aber „es macht mich verrückt zu sehen, wie die im Internet indoktriniert werden. Das Internet ist ein großartiges Werkzeug, es ist die Bibliothek von Alexandria unserer Zeit. Aber 90 Prozent der Menschen wissen nicht, damit umzugehen. Und für diese wird das Internet sehr gefährlich.“

Muttertag

Über das Verdi-Jahr freut sich der Verdi-Sänger – „es ist besser, dass es stattfindet, als dass es nicht stattfindet. Aber natürlich ist das rein kommerziell! Wie der Muttertag. Ich küsse meine Mutter jeden Tag, da muss mich niemand daran erinnern. Auch um Verdi zu würdigen brauche ich kein Verdi-Jahr.“

INFO: Cura singt am Montag (23. September) in der Staatsoper „Otello“; am 9. Dezember im Wiener Konzerthaus.

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