Johnny Depp: "Normal sein ist etwas Relatives"
Die Pressedamen im Pariser Nobelhotel "Le Meurice" sind nervös: Monsieur Depp lässt auf sich warten. In drei Salons des Hotels sitzen bereits Journalisten und warten auf ihn. "Er kommt nie pünktlich", seufzt ein deutscher Kollege, der schon einmal die Ehre hatte, vier Stunden auf den eigenwilligen Star zu warten. Doch so schlimm wird es dann doch nicht: Nach etwa 40 Minuten betritt Depps ausgesucht schöne persönliche Assistentin den Raum. Verkündet, dass der Meister weder fotografiert noch mit Autogrammwünschen noch mit privaten Fragen belästigt werden möchte.
Dann erscheint er. Klein, zart, aber raumfüllend. Popstarmäßig in zerschlissenen Jeans, grauem Shirt und lässigem Knitterschal. Wirft ein leises "Hi, folks" in die Runde, setzt sich und wartet. Gleich die erste Frage ist privater Natur.
Mister Depp, würde es Sie nervös machen, wenn Ihre Partnerin Vanessa Paradis und Brad Pitt sich so nahekommen würden wie Sie und
Angelina Jolie in "The Tourist"?
Johnny Depp: Überhaupt nicht. Ich hätte keinen Grund.
Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit Angelina Jolie empfunden?
Ich hatte schon mehr Schwierigkeiten bei der Arbeit. Mit ihr zu drehen war ein Bonus.
Sie sind in "The Tourist" so unfassbar normal: ein Mathematiklehrer aus Wisconsin mit billigem Anzug und Bauchansatz. Außergewöhnlich für Sie, nicht wahr?
Schon. Ich fand es reizvoll, einmal so einen ganz normalen
Durchschnittstypen zu spielen. Auch, weil die Leute, die mir schon oft in meinem Leben begegnet sind, die ich als ganz normal wahrgenommen habe, sich dann immer als die verrücktesten erwiesen haben. Was ist denn schon normal? Normalität ist immer etwas Relatives.
Ihr Frank Tupelo ist ein richtiger Spießertyp.
Ja, es hat mir großen Spaß gemacht, ihn so schreckhaft, verklemmt und so rhetorisch unbegabt anzulegen. Ein richtiger Durchschnittstyp, der über einen Kuss mit Angelina nicht hinauskommt.
Wie definieren Sie eine schöne Frau?
(Depp denkt lange nach) Sie muss sich ihrer selbst, ihrer Stärken bewusst sein. Genau wissen, was sie will. So wie Vanessa oder Angelina.
Und was macht Männer attraktiv?
Sie müssen eine gewisse Ausstrahlung haben. Etwas, das man nicht erklären kann, das macht sie sexy, auch wenn sie nicht so gut aussehen. Marlon Brando hatte das. Tom Waits hat es. Hunter S. Thompson. Oder Keith Richards.
Den scheinen Sie seit "Fluch der Karibik 3" besonders zu mögen.
Keith ist cool. Mein nächstes Projekt ist eine Dokumentation über den knorrigen alten Rolling Stone. Ein Herzensprojekt. Hunter S. Thompson spiele ich übrigens in "The Rum Diary". Der Film ist schon abgedreht und kommt bald in die Kinos. Wohl noch vor dem 4. "Fluch der Karibik"-Teil.
Zurück zu "The Tourist". Welche drei Argumente würden Sie nennen, um jemanden zu überzeugen, sich den Film anzusehen?
Ganz einfach: Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck, Angelina Jolie und Paul Bettany (der Brite spielt Scotland-Yard-Ermittler John Acheson, der Depp auf den Fersen ist, Anm.). Und natürlich der Hauptschauplatz: Venedig. Venedig ist spektakulär, vor allem in der Nacht, wenn die Touristen schlafen und nicht viele Leute unterwegs sind. Da wird die Stadt richtig poetisch.
Am Schluss des Interviews wird es wieder privat, aber das ist Depp egal. Er ist es gewöhnt, dass alle Welt sich für jede seiner Regungen interessiert. Wie er denn seine Vanessa kennengelernt habe? - 1998 in Cannes, erzählt er mit verzücktem Blick. "Ich habe sie vor mir stehen gesehen. Nur ihre Rückenansicht. Ein wundervoller Nacken. Als sie sich umdrehte, war ich verloren." Zwölf Jahre und zwei Kinder später ist er offenbar noch immer verliebt in sie. Heiraten will er sie dennoch nicht: "Ich kann doch nicht ihren wunderbaren Nachnamen ruinieren."
Angelina Jolie: "Ich bin in erster Linie Mutter"
Drei Stunden später im
Hotel Meurice: Angelina Jolie empfängt eine Handvoll Journalisten in einem riesigen Salon. Sie sitzt kerzengerade da - surreal schön, wie eine Puppe, die gerade frisch aus der Fabrik geliefert wurde: in einem blütenweißen Hosenanzug aus Seide, perfekt geschminkt und frisiert. Angelina, die Unnahbare.
Sie habe sich für die Rolle der Elise zurücknehmen müssen, sagt sie mit ihrer kehligen, energischen Stimme: "Ich bin schneller als sie." Zugleich habe sie es toll gefunden, "einmal so eine elegante Lady zu spielen". Elise Ward, die Agentin, die es auf den arglosen Johnny Depp abgesehen hat, sei betörend und mysteriös: "Ihr Charakter erschließt sich nie ganz. Bis zum Schluss findet man Neues über sie heraus."
Mit Florian Henckel von Donnersmarck zu arbeiten, sei eine ganz bewusste Entscheidung gewesen: "Es ist ein Vergnügen mit ihm zu drehen, aber auch eine große Herausforderung. Florian ist so intellektuell, dass es einem Bewunderung abringt. Er weiß genau, was er will." Gleich zu Beginn habe er ihr erläutert, wie er sich ihre Verkörperung der Elise vorstelle: "Er sagte: ,Ich möchte, dass du die dunkle Seite dieser Frau durchscheinen lässt und doch eine gewisse Leichtigkeit rüberbringst.' Das ist natürlich leichter gesagt als getan.""
Penibler Regisseur
Florian sei "fürchterlich genau". Weil sie seiner Meinung nach ein Wort auf Italienisch nicht korrekt aussprach, ließ er sie "es sechzig Mal sagen". Eine Mühsal, der sich Johnny Depp nicht aussetzte: Er antwortete spontan auf Spanisch, wann immer er einen Filmdialog mit Italienern führen sollte. Henckel von Donnersmarck bat ihn nicht, sein lässig hingeworfenes "Gracias!" sechzig Mal zu wiederholen. Er musste lachen - wie alle anderen.
"Wie wichtig ist Schönheit für Sie?", wird Jolie gefragt. "Ich fühle mich immer wohler in meinem Körper, je älter ich werde", weicht die 35-Jährige aus. Schönheit bedeute für sie nicht nur Äußerlichkeit, sondern "ehrlich und mit sich im Einklang zu leben. Sich nicht zu verstellen. Stark zu sein."
Anders als Johnny Depp, dem es aufgrund seines zurückgezogenen, partyfreien Lebens in
Südfrankreich gelungen ist, Paparazzi weitgehend von sich und seiner Familie fernzuhalten, können Angelina Jolie und Brad Pitt mit ihren sechs Kindern keinen Schritt tun, ohne von einer Meute neugieriger Menschen mit und ohne Kamera umringt zu sein. "Es ist schlimm", seufzt Jolie, "aber wir können nichts dagegen tun. Wir müssen uns anpassen." Die Kinder seinen schon gewöhnt an das ständige Fotografiertwerden, "die nehmen das ganz cool. Und wir lesen einfach nicht mehr, was über uns geschrieben wird." Die ewigen Gerüchte, dass es mit Brad kriselt, widerlegt Jolie, indem sie ganz sanft und liebevoll über ihn spricht: "Er ist ein außergewöhnlicher Vater. Wir wechseln uns mit dem Drehen ab, sodass immer einer von uns bei den Kids ist." Sie sei zwar gerne Schauspielerin, aber "in erster Linie bin ich Mutter. Da gibt es keine Kompromisse." Die Drehzeit für einen Film müsse begrenzt sein: "Ich kann und will nicht länger als drei, vier Wochen am Stück arbeiten."
Brad packt
Während Angelina im Erdgeschoss des Hotels Interviews gibt, ist Brad "oben in der Suite mit den Kindern und packt hoffentlich schon die Koffer. Denn morgen geht's nach
New York. Wir sind Vielreisende".
Gibt es eine Facette an ihrer Figur der Elise Ward, mit der sie sich identifizieren kann? - Jolie wirkt fast verlegen: "Ja, ich mag diese leidenschaftlich liebende Seite von Elise. Das ist eine zutiefst weibliche Regung, die auch ich ganz tief drin in mir spüre. Aber ich möchte mich dazu nicht äußern. Das ist eine Seite von mir, die wirklich nur Brad kennt.
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