Joan As Police Woman: "Mein Körper hat mich dazu gezwungen“
Sehnen wir uns insgeheim nach dem Ruin? Das fragt die Musikerin Joan As Police Woman sich und ihr Publikum in „Long For Ruin“, einem Song ihres neuen Albums „Lemons, Limes And Orchids“. Denn sie ist ein News-Junkie, wie sie im KURIER-Interview zugibt: „Ich lese drei Zeitungen am Tag und muss einfach wissen, was vorgeht“, sagt sie. „Aber damit einhergeht Verzweiflung über die Zerstörung, das Leid, den Schmerz und die Angst, die uns umgeben. Ich hab das Gefühl, dass zurzeit alle bereit sind, einander aus irgend welchen Gründen umzubringen. Das ist entsetzlich und so unnötig. Aber ich glaube auch, dass wir die Fähigkeit haben, nicht noch weiter in solche Abgründe zu gleiten.“
Sanfte Klänge
Verpackt hat die als Joan Wasser geborene Amerikaner das in einen sanften Song, der Singer/Songwriter-Flair mit jazzigen Elementen verbindet, von wenigen, vorwiegend akustischen Instrumenten getragen ist und ihren Gesang in den Vordergrund rückt. Ein Sound, der sich durch das ganze Album zieht und eine intime Atmosphäre schafft, die zwölf Songs lang unter die Haut geht. „Nachdem ich für das vorige Album ‚The Solution Is Restless‘ 40 Streicher aufgenommen und 20 Chorstimmen übereinandergestapelt habe, wollte ich jetzt ein sehr simples Album machen“, erklärt die 54-Jährige. „Ich bin sehr stolz auf das, was ich damals gemacht habe, aber diesmal wollte ich eine andere Grundstimmung. Es war nicht der Plan, jazziger als sonst zu klingen. Ich habe einfach Songs geschrieben.“
Neben dem verzweifelt machenden Zustand der Welt und der neuen Liebe, die vor ein paar Jahren in ihr Leben trat (die Songs „Hope In My Breath“ oder „Full Time Heist“ handeln davon), singt Wasser auch über ihr Leben.
Zum Beispiel in dem Titelsong „Lemons, Limes And Orchids“. Sie begann als Violinistin, studierte klassische Musik und spielte mit Antony And The Johnsons oder Lou Reed. Als Solistin begann sie erst 1997, als ihr damaliger Boyfriend, der Singer/Songwriter Jeff Buckley starb, der in einem Seitenarm des Mississippi ertrank. Kurz davor hatte Wasser seinen Heiratsantrag angenommen.
Viel Schmerz
„Bis dahin wollte ich nichts anderes als Violinistin sein“, erinnert sie sich. „Aber dann war da so viel Schmerz in mir, dass die Violine für andere zu spielen nicht mehr genug war. Ich musste singen, mein eigene Sons schreiben. Mein Körper hat mich dazu gezwungen.“ Wasser begann Klavier, Gitarre und andere Instrumente zu spielen, arbeitete an ihren ersten Songs, während sie weiter in der Alternative-Szene als Violinistin tätig war. Auf den Künstlernamen kam sie wegen einer TV-Serie namens „Police Woman“, in der eine Schauspielerin, die ihr ähnlich sah, die Hauptrolle spielte. 2006 veröffentliche sie ihr erstes Solo-Album. Seitdem experimentiert Wasser mit vielen Stilen. Mit Damon Albarn von den Gorillaz nahm sie an dessen „Africa Express“-Projekt teil, sie liebt aber auch die Musik aus dem Orient. „Ich lebe in New York, da gibt es sehr viele Muslime. Aber ich bin auch fasziniert von der Musik der Hindus oder jeder anderen musikalischen Tradition. Wenn ich traditionelle Musik anderer Länder mit Musikern dieser Länder spiele, wird mir ganz klar: Musik ist eine universelle Sprache. Und: Wir sind alle gleich, egal aus welcher Religion oder welchem Erdteil wir kommen.“
Auch ihre Liebe zu New York spielt immer wieder in die Songs des Albums hinein. Sie liebt die Stadt, weil sie im Gegensatz zu ländlichen Gegenden in Amerika ein weltoffener Schmelztiegel ist, der aus guten Gründen dem Fremdenhass trotzt. „Wir leben hier alle zusammen - Muslime, Mexikaner, Juden, was immer. Wir fahren zusammen in der U-Bahn und gehen zusammen in die Schule. Und wenn man zusammen in die Schule geht, lernt man sehr früh, dass alle Menschen die gleichen Sehnsüchte, Sorgen und Ängste haben. Vielleicht tut das nicht jeder, aber die meisten hier wollen wie ich gut mit den anderen auskommen. Ich habe keine Angst vor den Menschen aus anderen Kulturen, ich bin total interessiert an ihnen – auch, aber nicht nur wegen der Musik.“
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