Joachim Meyerhoffs 4. Buch: Verliebt in Hannas Schneidezähne

Ein Manisch-Depressiver in „Welt im Rücken“: Joachim Meyerhoff
Der Schauspieler und seine Geliebten. Drei. Gleichzeitig.

So ist Joachim Meyerhoff besser zu verkraften.

Im Buch kann er niemanden mit Theaterblut bespritzen und auch niemanden von der Bühne herunter beleidigen. (WER IST HIER DICK? Pah!)

"Die Welt im Rücken" im Burgtheater ist ein heftiges Stück – aber so mag Meyerhoff Theater, seit er in jungen Jahren der Vorstellung einer spanischen Gruppe zugeschaut hat. "Extrem" wurde zum Lieblingswort, und zumindest seinen Oberkörper will er seither dem Publikum nackt zeigen, wann immer es irgendwie halbwegs möglich ist.

Ticktack

Aber im Buch, und das ist Balsam, patzt er sich selbst an, mit heißem Pizzakäse, und beschimpft wird er von zumindest einer seiner gleichzeitig drei Freundinnen.

Von Hanna in Duisburg.

Eine extreme Frau, nicht nur wegen ihrer riesigen Schneidezähne, in die Meyerhoff vernarrt war damals, als er Mitte 20 war.

Er spielte in Duisburg Theater – z. B. eine Uhr, er musste "ticktackticktack" sagen – und war mit Hanna im Restaurant essen.

Als es ans Zahlen ging, fragte die Kellnerin: "Getrennt oder zusammen?"

Da zuckte Hanna völlig aus: "Was geht dich denn das an, du blöde Kuh. Wir wissen das doch selbst nicht so genau."

So geht Band vier von Meyerhofers Erinnerungen. Manchmal kommt dem 50-Jährigen alles wahr vor, manchmal wie erfunden – das spricht tatsächlich für eine Autobiografie.

Nach Kinderjahren, die er oft auf der laufenden Waschmaschine verbrachte, weil er so zappelte, und auf der Waschmaschine vibrierten sie beide schön, und er gab Ruhe ... und nach dem Austauschjahr in Amerika und der Zeit bei den Großeltern und in der Münchner Schauspielschule ... geht’s jetzt um die Frauen.

Wieder extrem

Damit fehlt diesmal etwas von der Traurigkeit, die immer in Balance mit seinem Humor stand.

Aber wir gönnen’s ihm: Als Joachim Meyerhoff ein Engagement in Dortmund bekam, fuhr er nur noch zwischendurch zu den Schneidezähnen nach Duisburg.

In Dortmund hatte er eine Tänzerin zur Freundin. Diese Franka trank gern und kotzte mehr als sie redete – aber ihre Zunge, ein Traum! Stark! Ein volles Plastiksackerl konnte sie damit heben. Also extrem.

Ausgelastet war M. damit aber nicht, er nahm ja Aufputschmittel, und so stieg er aus dem Bett der Tänzerin und schlich um vier in der Früh zu einer dicken, recht ordinären Bäckerin in die Backstube. Es gab Puddingbrezel und mehr. Er half ihr bei der Arbeit, man wird das Gefühl nicht los: Bei ihr fühlte er sich am wohlsten.

Es gibt nicht nur Frauengeschichten (aber fast nur). Er sollte in dem Musical Anatevka singen. Auch das wird sehr lustig, und nach dieser wohligen Lektüre hat man wieder Kraft, um Meyerhoff beim Explodieren auf der Bühne zuzusehen.


Joachim
Meyerhoff:

„Die Zweisamkeit der
Einzelgänger“
Verlag Kiepenheuer & Witsch.
352 Seiten.
24,70 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

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