Jo Nesbø: "Macbeth" als Polizei-Thriller
In einer Demokratie muss man verdammt aufpassen, damit niemals ein machtgieriger Anführer das Sagen bekommt.
„Sie besitzen lieber einen wertlosen Baum als die Frucht, die an ihm wächst. Nur, damit sie darauf zeigen und sagen können: Der gehört mir.“
Und danach lassen sie den Baum fällen.
So steht es, etwas überraschend, in „Macbeth“ geschrieben. William Shakespeares 400 Jahre altes Drama übers Königreich Schottland bekam ein Update: Der norwegische Krimi-Star
Jo Nesbø (bisher elf Mal „Harry Hole“) macht den 33-jährigen Macbeth zum Polizeibeamten einer namenlosen korrupten Industriestadt, die zumindest bauliche Ähnlichkeiten mit Glasgow hat.
Duncan ist sein oberster Chef, ein vorbildlicher Demokrat, den Macbeth umbringt, weil halt ER an die Spitze gehört ... sagt seine Lady, die ein Spielcasino leitet.
Ist ja kein Problem. Schieben wir’s den Leibwächtern in die Schuhe.
Duff ist Polizist, Banquo ist Polizist ... Hekate (Königin der Hexen) leitet eine Drogenbande, die das synthetisches Suchtgift „Brew“ produziert.
Die halbe Stadt scheint high zu sein, denn auch eine zweite Gruppe (Norse Riders) versorgt die Bewohner mit Gift. Macbeth selbst war früher abhängig; und wird es wieder sein.
Hekate gibt ihm aus Eigennutz gute Tipps, und da gehört nicht viel dazu, Macbeth eine große Karriere zu prophezeien.
Langsamer Regen
Nesbø macht’s gut. Ein virtuoser Kriminalschriftsteller ist er. Er nimmt
Shakespeare ernst, ohne auf Autoverfolgung, Scharfschützen, Bombe zu verzichten. Bei jeder Figur sorgt er zusätzlich für „Background“.
Man kann es bei allen Bemühungen schwer vertuschen: Die Geschichte von Machtgeilheit, von Morden und Gewissensbissen ist letztlich halt nichts Neues.
Aber dass es der Autor so oft regnen lässt und Regentropfen verfolgt, die im Wind von Bezirk zu Bezirk treiben, ehe sie endlich, endlich über das Visier eines Motorradhelmes auf den Boden prasseln, das ist einigermaßen seltsam.
Selbst fallenden Möwenschiss beobachtet Nesbø .
Dabei ist sein „Macbeth“-Thriller ohnehin mit 600 Seiten ziemlich lang geraten. Die Reclam-Ausgabe des Originals folgt Macbeth auf bloß 100 Seiten in den Tod.
Und dort ist kein langsamer Regentropfen weit und breit. Was durchaus zu begrüßen ist.
Jo Nesbø:
„Macbeth“
Übersetzt von
André Mumot.
Penguin
624 Euro.
24,70 Euro.
KURIER-Wertung: ****
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