„Kunst und Kultur“, sagt Hinterholzer, „sind lebendige Demokratie, ein friedliches Miteinander.“ Auf den Sommercamps der Jeunesse musizieren Kinder ab acht Jahren aus vielen Ländern „in respektvollem und tolerantem Umgang“ miteinander, „Musik regt zum Nachdenken an und schafft immer Emotion. Und sie hat die Aufgabe, auch kritisch zu hinterfragen – aber nicht auszugrenzen.“
Aber sind nicht viele Menschen von klassischer Musik ausgegrenzt – etwa jene, die nicht mit dieser Musik großgeworden und beim Konzertbesuch vielleicht unsicher sind, wie man sich verhält? „Es ist unsere Aufgabe, uns zu öffnen – und allen einen Konzertbesuch zu ermöglichen. Wir machen Stehkonzerte in der Ottakringer Brauerei, bei denen man auch mittendrin rausgehen kann. Und wir bemühen uns, unsere Konzerte zu leistbaren Preisen anzubieten.“
Denn ein Konzertbesuch dürfe kein „Geburtsrecht sein, hier soll es Chancengleichheit für alle geben“. So gebe es bei der Jeunesse einen Saisonpass für 99 Euro. Für die großen Stadionkonzerte der Popmusik werde ein Vielfaches ausgegeben, betont Hinterholzer.
Aber Popmusik ist für junge Menschen einfach cooler als Klassik, oder? „Das stimmt, aber ich glaube, das kann man ändern“, sagt Hinterholzer. „Das braucht Zeit – und einen Perspektivenwechsel“: Die Jeunesse „respektiert und ehrt und schätzt“ die Wiener Konzertsäle. Man will aber auch „zu den Menschen kommen, in den Randbezirken Angebote setzen. Wir möchten die Perspektive erweitern und die Kultur näher zu den Menschen bringen.“ Aber das ist doch etwas, das die Kulturpolitik seit einem Vierteljahrhundert und länger immer wieder sagt – ohne viel nachhaltige Wirkung, in einer Art ewigem Ankommen am Rand, oder? „Wenn wir in fünf Jahren wieder reden, dann sagen Sie hoffentlich, dass man die Jeunesse hier beim Wort nehmen konnte.“
Kraft der Musik
Die Jeunesse ist in ganz Österreich tätig; an den Rändern Wiens aber jedenfalls trifft man ein sehr diverses und internationales Publikum. Können Konzerte hier zur Stiftung einer gemeinsamen Identität beitragen? „Wir bieten etwa ein Gratisangebot für Wiener Brennpunktschulen, das war innerhalb weniger Stunden ausverkauft und wurde intensiv angenommen. Solche Initiativen tragen dazu bei, uns alle zu verbinden. Gerade mit unseren inszenierten Formaten versuchen wir oft auch ohne Sprachbarriere auszukommen, zu vermitteln, ohne Worte zu gebrauchen, sondern wirklich mit der Kraft der Musik.“
Wie geht es der Jeunesse selbst zum 75er? Finanziell hat es ja da zuweilen ordentlich gerumpelt, oder? „Durchaus. Es war ein sehr, sehr häufiger Führungswechsel, das löst intern Unsicherheit aus und natürlich auch nach außen hin“, sagt Hinterholzer. „Ich habe mir zum Ziel gesetzt, hier wieder klar nach außen aufzutreten. Wir blicken optimistisch in die Zukunft.“
Was wünscht man sich von dieser? „Dass diese 75-jährige Tradition mindestens 75 weitere Jahre besteht.“
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