Asylsuche auf fremden Planeten

Jennifer Lawrence und Chris Pratt
Science-Fiction-Utopie von einer "schönen neuen  Welt" im All mit Star-Besetzung.

Das Kinojahr startet auf einem riesigen Raumschiff. Publikumslieblinge wie Jennifer Lawrence und Chris Pratt müssen in "Passengers" eine Mission erfüllen: Sie sollen den Emigranten unserer Erde ein menschenwürdiges Asyl im Weltall sichern. Politisieren und Philosophieren mit Science-Fiction-Filmen? Das auslaufende alte und das beginnende neue Kinojahr scheinen darauf hinzudeuten. In unserer popkulturellen Gegenwart suchen sich Botschaften aller Art in dem Genre zu vermitteln.

Die Science-Fiction bestimmt immer mehr unsere Deutungsmuster der Zukunft – und dies mit zum Teil auf sehr hohem diagnostischem Niveau. Und gerade weil dieses Genre aufgrund hoher Produktionskosten auf Szenarien angewiesen ist, die seine Zuschauer emotional zu packen vermögen, gibt es Auskunft über die Sicht der Menschen auf sich selbst. Auf Träume, Hoffnungen und Ängste. Ob Utopie oder Dystopie, ob Alien-Invasion oder Roboterherrschaft – der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt.

Einsam

"It’s lonely out in space" – Es ist einsam, draußen im All. Das wusste Elton John schon Anfang der 1970er-Jahre, als er seine Ballade "Rocket Man" über einen einsamen Astronauten veröffentlichte. Ähnliche Erfahrungen macht in diesem Film der von Chris Pratt gespielte Jim Preston. Er ist im Raumschiff "Avalon" zum Planeten "Homestead II" unterwegs und soll dabei helfen, diese Lichtjahre entfernte neue Welt zu kolonialisieren. Die Zeit bis zur Landung sollte er eigentlich in einem Kälteschlaf verbringen, aber als das Raumschiff mit einem Meteor-Schauer kollidiert und der Bord-Computer beschädigt wird, wacht er aus seinem künstlichen Tiefschlaf auf. Als Einziger von insgesamt fünftausend mitreisenden Passagieren! Weitere neunzig Jahre lang– so erfährt Jim vom computergesteuerten Hologramm einer Auskunftsperson am Info-Point des Raumschiffs – wird er noch unterwegs sein …

Jims einziger Ansprechpartner an Bord ist ein Herr ohne Unterleib: Von Kopf bis Gürtellinie ein täuschend menschenähnlicher und stets freundlich lächelnder Bartender (Michael Sheen), von der Taille abwärts aus rostfreiem Stahl.

Zweisam

Angesichts der Horrorvision, so viele Jahrzehnte lang ohne weitere Menschenseele durchs All gondeln zu müssen, kann Jim der Versuchung nicht widerstehen, sich aus den in ihren Glasbehältern schlummernden jungen Damen (s)ein Schneewittchen auszusuchen und quasi wachzuküssen. Seine Wahl fällt auf die schöne Aurora (Jennifer Lawrence), die damit zur unfreiwilligen Gefährtin seines Weltraumtrips wird. Auroras aufkeimende Zuneigung für Jim schlägt in Hass um, als sie erfährt, dass ihr Wachzustand kein Zufall ist ...

Als das Raumschiff in Gefahr gerät, sieht sich Aurora gezwungen, das Kriegsbeil zu begraben und gemeinsam mit Jim an einer Lösung der Bordcomputer-Probleme zu arbeiten. Schließlich steht das Leben von 5000 – immer noch schlafenden – Passagieren auf dem Spiel.

Visuell besticht der Film durch seine gestylte und kunstvoll inszenierte Leere, wie man sie aus Filmen von Michelangelo Antonion ("Zabriskie Point") kennt. Das liegt vor allem daran, dass der Regisseur – erfreulicherweise – der Versuchung widersteht, zu sehr auf bombastische Spezialeffekte zu setzen.

Leider wird dadurch umso offensichtlicher, dass die Story, die dem Film zugrunde liegt, eher dünn ist. Über diverse Längen im Handlungsverlauf trösten aber die Darsteller hinweg – vor allem Jennifer Lawrence. Als unfreiwillige Widerstandskämpferin Katniss Everdeen der "Tribute von Panem"-Serie ist sie längst zur Kultfigur einer einer utopischen Weltvorstellung geworden. Eine Rolle, der sie auch in diesem Science-Fiction-Abenteuer voll gerecht wird. Chris Pratt macht neben ihr zumindest gute Figur.

Passengers .USA 2016. 114 Min. Von Morton Tyldum. Mit Jennifer Lawrence, Chris Pratt, Michael Sheen

Der Erfolg, den ihm die Gestaltung der Album-Covers für die Rolling Stones, für Jay-Z und für die Talking Heads einbrachte, war dem österreichischen Grafiker Stefan Sagmeister nicht genug. Er finanzierte ihm zwar den angenehmen Lebensstil in New York, doch er wollte höher hinaus – oder besser: tiefer in sich hinein.

Er gönnte sich daher ein Jahr der Experimente, der Inspiration und der Reflexion. Die Fragen, die ihn beschäftigten: Wie kann man ein besserer Mensch werden? Und: Lassen sich Glücksgefühle erlernen? Aus den möglichen Antworten ist "The Happy Film" entstanden. Mithilfe von Meditation, Verhaltenstherapie und Psychopharmaka (die er bewertet und benotet) begibt sich Sagmeister auf die Reise zum neuen "Ich". Der Designer erweist sich als guter Geschichtenerzähler und als begabter Verkäufer. Denn wer kauft nicht gerne ein Glücks-Rezept – um den Preis einer Kinokarte.

The Happy Film. F, GB,USA, Ö 2016. 93 Min. Von Sagmeister, Nabors, Curtis. Mit Stefan Sagmeister

So leicht wirft ihn nichts aus den Flip-Flops: Samuel (Omar Sy) lebt ein angenehmes Leben an der französischen Südküste, wo er als Motorbootfahrer eines Hotels arbeitet. Er genießt das Single-Dasein und geht allem, was ihn verpflichten oder anstrengen könnte, aus dem Weg. Außer einer sexy Damenbegleitung – und das auch nur, wenn damit keinerlei Balz-Bemühen verbunden ist. Alles ist gut – bis eines Tages seine Ex-Freundin Kristin vor der Tür steht. Minuten später ist sie wieder verschwunden. Was bleibt? Ein Baby, das Samuel als gemeinsame Tochter Gloria vorgestellt wurde.

Hoffnungslos überfordert mit dem Baby versucht er – ohne Erfolg –, seine Ex ausfindig zu machen. Acht Jahre später lebt Samuel mit dem heranwachsenden Töchterchen in London und die beiden sind inzwischen unzertrennlich. Das eingeschworene Vater-Tochter-Gespann droht zu zerbrechen, als Kristin plötzlich wieder auftaucht und ihre Ansprüche als Mutter geltend macht.

Das Thema des Films ist alles andere als neu und nimmt den Verlauf ähnlicher Geschichten über Männer mit Bindungsangst, die plötzlich die Verantwortung für ein Kind übernehmen müssen. Aber die entwaffnende Treu- und Gutherzigkeit, mit der Omar Sy den Vater wider Willen verkörpert, nimmt allen möglichen Klischees die Spitze. "Plötzlich Papa" ist dann am besten, wenn man Vater und Tochter beim immer vertrauter werdenden Miteinander beobachten kann. Omar Sy, der schon in "Ziemlich beste Freunde" (2011) unkonventionell für gute Kino-Laune sorgte, und Gloria Colston geben ein wundervolles Vater-Tochter-Gespann ab, deren fast permanente Fröhlichkeit höchstwahrscheinlich auch für das Publikum ansteckend wirken wird.

Plötzlich Papa. F 2015. 118 Min. Von Hugo Gelin. Mit Omar Sy, Clemence Poesy, Gloria Colston

Beatrice ist so flatterhaft wie einnehmend und redet gerne viel. Sie hält sich – nicht ganz freiwillig – in einer Therapie-Einrichtung in der Toskana auf. Weil es ihre Familie war, die diesen Landsitz als Psychiatrieanstalt gestiftet hat, gebärdet sie sich als Gutsherrin. Sie veranstaltet Pillentausch-Partys und bricht ins Schwesternzimmer ein, um die Krankenakte der Neuankommenden zu studieren. Eine dieser "Neuen" ist Donatella, eine in sich gekehrte junge Frau mit Tattoos und einem dunklen Geheimnis: In einer ausweglosen Situation hatte sie sich ins Meer gestürzt – mit ihrem kleinen Sohn im Arm. Die beiden wurden gerettet – aber Donatella ist seither als potenzielle (Selbst-)Mörderin stigmatisiert.

Trotz ihrer Unterschiedlichkeit wächst zwischen Beatrice und Donatella eine Freundschaft. Eines Tages entkommen die beiden – fast ungewollt – der Therapieanstalt. Ein verrücktes, atemloses Roadmovie beginnt, das ein wenig an "Thelma & Louise" erinnert. Trotz des exaltierten Spiels mit der Unwahrscheinlichkeit kippt der Film nie ins Peinliche. Stattdessen kokettiert er mit dem realen gesellschaftlichen Irrsinn. Schauspielerisch können die beiden Hauptdarstellerinnen überzeugen – die Nebenrollen sind mit wirklichen Insassinnen einer psychiatrischen Klinik entsprechend stimmig und überzeugend besetzt.

Die Überglücklichen. I 2016. 116 Min. Von Paolo Virzi. Mit Valeria Bruni Tedeschi, Micaela Ramazzotti

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