Jean Rhys: Den Zombies gibt der Wind die Stimme

Jean Rhys
Die weite Sargassosee: Wunderbare Neuübersetzung des berühmten Romans, der mit "Jane Eyre" verschmilzt.

"Die weite Sargassosee" von Jean Rhys (1890–1979) ist Weltliteratur, die man jetzt auch hören kann, während man liest.

Denn die Neuübersetzung gibt den Menschen ihre Stimmen und unterschiedlichen Arten zu reden ... beginnend in Jamaika, wo Antoinette aufwächst. Soeben (= 1834) ist die Sklaverei abgeschafft worden.

Die Schwarzen schreien: "Nieder mit den weißen Kakerlaken!"

Die Weißen sind verärgert: "Nigger darf man nicht sagen, nicht einmal Neger darf man sagen."

Der Papagei krächzt: "Qui est là? Qui est là? Ché Coco."

Und die Zombies in der Karibik? Der Wind ist ihre Stimme. Das Meer ist ihr Zorn.

Das Herrenhaus, in dem Antoinette mit ihrer Mutter lebt, wird niedergebrannt. Sie lernt früh, dass selbst Schlangen und rote Ameisen besser sind als Menschen. Noch dazu, wenn man eine Frau ist.

Ihr Weg wird gezeigt – die Klosterschule, die Heirat, das Unvermögen des Ehemannes, die Karibik zu verstehen, die Übersiedlung nach England – wo sie "Bertha" genannt wird und als "die Irre" auf dem Dachboden wohnt und Selbstmord begehen wird.

Vorgeschichte

Eine solche Figur kennt man vielleicht aus "Jane Eyre" von Charlotte Brontë: Die erste Frau von Mister Rochester war weggesperrt worden.

Er dürfte seine Bertha ganz vergessen haben, denn er bat Jane Eyre, seine Frau zu werden. Es brauchte eine Rechtsanwalts, der ihn kurz vor der Hochzeit daran erinnerte ...

Jean Rhys schrieb also mehr als 100 Jahre später eine Vorgeschichte zu dem viktorianischen Klassiker von 1847.

In ihrer Geschichte – auch sie wurde in der Karibik geboren, auch sie kam nach England – ist es heiß, der Schweiß rinnt in Strömen.

Charlotte Brontë hingegen hatte es kalt angelegt.

"Die weite Sargassosee" ist Jean Rhys bekanntester Roman. 1966 erschien er und sorgte für späten Ruhm. Politisch ist er, emanzipatorisch. Gegen drohende Abhängigkeiten in einer Ehe verfasst – von einer, die sich nicht anpasste. Als Aktmodell arbeitete sie, ließ sich von Männern aushalten, lebte in den 1930ern in London, Paris und Wien, heiratete drei Mal.

Die Autobiografie "The blue hour" von Lilian Pizzichini wurde bisher nicht ins Deutsche übersetzt.

Jean Rhys:
„Die weite Saragossasee“
Übersetzt von Brigitte Walitzek.
Schöffling Verlag.
232 Seiten.
22,60 Euro.

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