Jazzfestival Saalfelden: Ausdruck ist alles

Jazzfestival Saalfelden: Ausdruck ist alles
Mitunter ist Heutiges sehr gestrig. Und die Tradition erstaunlich frisch. Jazz im Pinzgau. Heuer besonders kontroversiell.

Auch für die Musik gilt, was jede Magd weiß: Man muss leider viele Frösche küssen, eh man einen Prinzen findet. Das Publikum ließ sich am Wochenende beim 32. Jazzfestival Saalfelden mit großem Vertrauen auf überwiegend Unbekanntes ein.

Wenig Aufregendes außer Kunsthandwerk hatte dabei das Jim Black Trio am Sonntag mit kammermusikalischem Jazz zu bieten. Enttäuschend und sicher kein Glücksgriff auch die Geigerin Jessica Pavone und ihre "Army of Strangers".

"Tatsächlich konnten einige Bands auf der Bühne nicht halten, was die CDs versprochen haben", musste auch Intendant Mario Steidl eingestehen.

Einmal mehr zeigte sich: Der Stil ist nichts. Der Ausdruck alles. Für ein spannendes Wiederhören sorgte vor allem Lorenz Raab, erstmals in internationaler Besetzung, mit sanften, fließenden und fragilen Stimmungen, die in bewundernswert klaren Strukturen entstehen.

Wenn denn die Freiheit ganz grenzenlos ist, wo führt sie hin? Oft in Beliebigkeit und Orientierungslosigkeit.
So ging die Neutöner-Reise des Sax-Players Markus Strauss mit seinem Zappa-Projekt ins Nirgendwo.

Eine aufregende Wiederbegegnung war dagegen die mit David S. Ware und seiner spielerischen und spirituellen Leidenschaft. Die Freiheit, die sich der Free-Jazz-Veteran nahm, hat sich mehr als ausgezahlt. Wares Saxofon schreit Kolossales heraus, auf dass es im Ohr des Hörers detoniert und tiefe Löcher in die Seele reißt.

Jazz, der in die Offensive geht

Sein Klang ist von gezügelter Wildheit, schartiger Wärme, strahlender Schärfe - ein Bollwerk vitaler Expressivität.
Überraschungsmomente gab es sonst wenige. Abgesehen vielleicht von The Bad Plus zum Ausklang mit dem Pianisten Ethan Iverson und dem Gastsaxofonisten Joshua Redman, der sich als ein der Jazz-Tradition verpflichteter Ästhet des schönen Klangs inszenierte.

Wie modern das Gestern auch heute sein kann, bewies die Formation Das Kapital mit einer Hommage an den 1962 verstorbenen Hanns Eisler. Dessen Propagandalieder wurden frisch, zupackend und intensiv umgesetzt, harmonisch überspitzt und mit Ironie ausstaffiert.

Jazzmusikalisch, aber zwischen allen Stühlen. Und manchmal ist das kein schlechter Platz.
Lieder wie die "Moorsoldaten" oder das "Solidaritätslied" klingen in der bissigen Interpretation des Trios wie aktuelle Kommentare zu Politik, Finanz und Wirtschaft. Das ist Jazz, der in die Offensive geht. Wie anno dazumal ...

Hier lebt das visionäre, ästhetische Potenzial des Jazz. Jedenfalls ist beim Publikum noch eine große Sehnsucht danach spürbar.

Kommentare